Samstag, 7. Januar 2017

"Das ferne Echo der Zeit" von Pamela Hartshorne

Ich schob den Laptop beiseite, schwang die Beine von der Couch und stand auf.
"Bess..."
Bei dem Flüstern zuckte ich erschrocken zusammen, und eine plötzliche Furcht schien das ganze Zimmer zu erfüllen. [...] Mir war, als würde sich bei dem Flüstern die Luft im Raum vor Kummer, Trauer und Angst förmlich verdichten. Ich hasste diesen Namen.
"Lass das", sagte ich laut, und vermied es, darüber nachzudenken, ob ich zu mir selbst sprach oder zu dem Zimmer.
Oder zu Hawise.
Unfähig mich zu rühren, starrte ich in den matten Spiegel über dem Kaminsims. Mein Gesicht war aschfahl und angespannt, meine Miene wie erstarrt.
"Ich bilde es mir ein", sagte ich laut. "Es passier nicht wirklich."
"Bess..." Erneut dieses Flüstern, doch schwächer jetzt. Ich holte zitternd Luft. Ich bildete mir das alles nur ein. Solange ich dies nicht vergas, war alles in Ordnung.
Aber als ich mich umdrehte, um meinen Laptop an mich zu nehmen, lag halb verborgen unter einem Kissen ein fauliger Apfel. Seine Haut wirkte bräunlich verfärbt und began bereits zu schimmeln. Ich schaute diesen Apfel lange Zeit an, sträubte mich, ihne in die Hand zu nehmen. Mir war bewusst, wie kindisch ich mich benahm. Vom Verstand her wusste ich, es konnte nicht der Apfel sein, den ich vermeintlich vergangene Nacht weggeworfen hatte, denn Letzterer war lediglich ein Produkt meiner Fantasie gewesen."


Langsam beginnt Grace, an ihrem Verstand zu zweifeln. Es kann nicht am Jetlag und den vielen Reisen liegen, dass sie ständig diese Illusinen aus der Sicht eines jungen Mädchens hat, das Hawise heißt. Es ist fast, als reise Grace in der Zeit viereinhalb Jahrhunderte zurück in den Geist von der Dienstbotin Hawise. Grace hat keine Kontrolle über die Illusionen. Es ist, als dränge sich das andere Mädchen von damals immer wieder in ihren Geist um ihr etwas zu zeigen. So erfährt Grace, was für grausame Dinge der jungen Hawise Ake damals widerfahren sind und was diese alles erleiden musste. Aber weswegen kann sie diese Dinge sehen, sogar fühlen? Wieso greift Hawise ständige auf den Geist von Grace zu? Und wieso hört Grace ständig dieses seltsame Flüster? Ohne es zu ahnen, bringt Grace dadurch ihr eigenes Leben in Gefahr. Kann sie sich retten oder wird ihr Leben so enden wie das von Hawise?

Meine Meinung zu dem Buch:
In erster Linie kann ich diesen Roman nur loben. Er ist sehr spannend, stellenweise etwas unheimlich und erzeugte bei mir einige Male Gänsehaut. Die beiden Hauptfiguren, Grace (aus unserem Jahrhundert) und Hawise (das Mädchen aus der Vergangenheit) werden wunderbar dargestellt. Dem Leser fällt es sehr leicht, sich ein Bild von beiden zu machen und bekommt einen sehr präzisen Einblick in die Gedanken und in den Charakter der Mädchen. Das Buch beinhaltet zudem historisch interessante Fakten, indem anhand von Hawise offengelegt wird, wie die Menschen damals lebten und wie es gesellschaftlich lief (die Autorin ist übrigens Historikerin). In der Geschichte merkt man sehr gut, wie Grace die Geschichte von Hawise am eigenen Leib nacherlebt.
Was ich an "Das ferne Echo der Zeit" bemängeln muss, ist die Art der Zeitsprünge zwischen Grace und Hawise. Es gibt keine eindeutigen Sprünge, keine neuen Kapitel wenn sich Grace wieder in der Geschichte von Hawise verliert. Das war für mich persönlich oft sehr verwirrend und hat mich kurz rausgebracht bis ich begriffen hatte, in welcher Zeit ich mich beim Lesen wieder befinde. Ich hoffe ihr versteht, wie ich das meine. Natürlich sorgt diese Art für viel Abwechslung und Überraschung, Spannung und unerwartete Wendungen. Das befürworte ich absolut! Trotzdem hat es mich beim Lesen sehr häufig gebremst. Bis auf diesen Punkt finde ich das Buch jedoch sehr gut! Wie schon erwähnt ist es sehr Spannend und aufregend! Es wird nie kitschig und die Handlungen sind quasi nicht vorhersehbar, was den Roman gleich viel verlockender macht. Der Roman handelt auf vielen emotionalen Ebenen, ermöglicht es, sich in die Charaktere einzufühlen und lässt den Leser an einigen Stellen doch angespannt dasitzen. Doch zum Ausgleich gibt es hinterher immer Stellen, die einem eine kurze "Atempause" ermöglichen. Ich werde dieses Buch auf jeden Fall wieder lesen.