Montag, 21. November 2016

"Engel in der Stadt" von Francesca Lia Block

"Dann wollte ich ins Wasser gehen. Ich wollte es so dringend, dass mein Mund brannte, als hätte ich Salz gegessen, und meine Haut prickelte und ich stand auf und lief zum Wasser hinunter. Ich wollte mich den Wellen überlassen und finden, was der Junge sah. Ich wusste, dass es besser war als ich, als mein Leben. Es war etwas Tiefes und Weites und Linderndes und Dunkles und Helles. Es war ohne Schmerz. Es war, als fiele ich in den wogenden, glänzenden Schwarm von Wellen, würde eine von ihnen, würde nichts und alles zugleich. Ich war eine Meerjungfrau. Ich hatte grünes Haar.Ich konnte tiefer tauchen und weiter.
Aber ich hatte zu viel Bier getrunken. Das Wasser war entsetzlich kalt. Und die Wellen waren stärker, als sie aussahen. Ich wusste sofort, dass es zu viel war. Ein Teil von mir reckte sich nach oben wie eine Hand und versuchte Luft zu schnappen, ein anderer Teil sank hinunter wie eine Faust, tauchte tief und tiefer hinab, wurde überspült vom Ozean, der in mich eindrang - ein Liebhaber, in meine Lunge und in mein Herz, und ich war nicht mehr die Tochter eines sterbenden Mannes und eines Engels, der ihn nicht retten konnte, sondern die Tochter des Wassers." 



Los Angeles, die Stadt der Engel. Die unscheinbare Echo steht seit ihrer Geburt im Schatten ihrer engelsgleichen Mutter. Ihr Vater betet Echos Mutter an, hat sie zu seiner Religion gemacht. Echo fühlt sich von der ganzen Welt nicht wahrgenommen. Alles dreht sich nur um ihre Mutter. Diese kann perfekt kochen, fast schon göttlich. In ihrem Garten wachsen Blumen, wie sie es nirgends tun. Echos Mutter ist die Perfektion, eine unbeschreibliche Schönheit mit scheinbar göttlichen, heilenden Kräften. Doch als Echo die Kräfte ihrer Mutter am meisten benötigt, kann diese nichts tun. Echos Vater erkrankt an Krebs und seine Tochter kann ihrer Mutter nicht die nötige Krfat geben, um ihn zu heilen. Verzweifelt stürzt sich Echo in das Glitzerleben Hollywoods. Sie trinkt zu viel, isst zu wenig, tanzt vor anderen Männern und sieht Visionen. Sie lässt sich treiben, treibt von Ort zu Ort, von Mensch zu Mensch. Doch mitten in alldem begegnet sie nach einem Versuch, sich ins Meer zu stürzen um eine Meerjungfrau zu werden, einem jungen Mann. Er hat sie gerettet. Sie weiß sofort, dass sie ihn liebt. Aber er spricht und berührte sie nie. Als sie herausfindet, wieso er dies nie tut,verlässt sie die Stadt und flüchtete nach New York, um dort anderen Dämonen unter den Menschen zu begegnen. Ein ständiges Gewirr von Drogen, Menschen, Liebe, Tod, Gewalt und Lust. Doch Echo weiß, dass sie niemanden jemals so lieben kann, wie ihr Vater ihre Mutter geliebt hat. Außer der schweigsame Junge am Strand.


Meine Meinung zu dem Buch:
Ich weiß nicht, ob ich das Buch hier gut darstellen konnte. Es scheint mir oft unbeschreiblich zu sein. Ich muss außerdem zugeben, dass ich das Buch ungelogen schon über 100 Mal gelesen habe. Vor ungefähr 7 Jahren habe ich es gekauft und damals noch garnicht verstanden. Aber als ich älter wurde und das Buch verstehen konnte, verschlang ich es wieder und wieder. Es ist auf so poetische Weise geschrieben. Dieses Buch ist etwas besonderes. Keine heile Welt. Keine typischen Geschichten. Es ist etwas ganz anderes, wie ich es noch nie gelesen habe. Ja, es geht teilweise um Engel. Aber nur minimal. Das Buch konzentriert sich auf Echo. Auf ihr Leben, ihre Tiefen und Probleme, auf ihre teilweise sehr faszinierenden und poetischen Gedanken. Dieses Buch ist wirklich ganz besonders! Mein absoluter Favorit!

Freitag, 18. November 2016

"Rosenpsychosen" von Anna-Maria Prinz

Am Morgen betrat Pasi als Erste die Küche. Marie lag auf dem Fußboden und starrte an die Decke. Neben ihr standen eine leere und eine halb volle Flasche Pinot Grigio, ein Riedel-Burgunderglas und eine leere Kaffeetasse. Pasi machte auf dem Absatz kehrt und lief zu Martin ins Schlafzimmer, der gerade zum zweiten Mal dem Weckerpiepen ein Ende setzte. "Mama liegt auf dem Fußboden in der Küche und guckt an die Decke. Sie hört Mozart."
"Oje. Requiem?"
"Glaub, ja."
"Okay, ich komme."
Martin schlurfte in die Küche, machte die Musik aus, räumte den Fußboden auf und setzte sich neben Marie. "Kann ich etwas für dich tun, die vielleicht ins Bett helfen?" Sie antwortete nicht. "Hör mal, Schatz, die Kinder wollen jetzt hier frühstücken. Ich fahre gleich mit ihnen los, aber vorher müssen sie etwas essen. Die Gewürze sind prima sortiert. Du kannst jetzt schlafen. Komm."



Wenn sich zwei Frauen mittleren Alters begegnen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten, geht man nicht davon aus, dass sie miteinander auskommen. So ist es auch, als Marie und Helene aufeinandertreffen.
Marie musst seit einiger Zeit ohne ihr Vermögen leben, denn ihr Mann Martin (mit dem sie lediglich eine Zweckehe führt) ist bankrott. Von nun an keine Cocktails für 20€ mehr, kein Chanel N°5 und keine teure Kleidung mehr. Auf Grund ihrer Depressionen und Todessehnsüchte kann Marie am Abend nicht ohne mindestens eine Flasche Wein einschlafen und Bücher liest sie stets von hinten nach vorne.
Helene hingegen ist Therapeutin, rasiert sich nie, trinkt nur Tee und ist rein optisch vollkommen anders als Marie. Sie schminkt sich nicht, trägt keine figurbetonten Kleider und keine Schuhe mit Absatz. Helen führt ein eher langweiliges Leben mit ihren beiden Söhnen. Eines Tages entschließt sich Maries Mann, dass seine Frau endlich in Therapie gehen soll. So begegnen sich die beiden Frauen schließlich. Helene bemüht sich zunächst vergebens darum, an Marie heranzukommen, doch diese ist stets nur patzig und lenkt vom Thema ab. Doch langsam, von Sitzung zu Sitzung öffnet sich Marie. Aber auch Helene beginnt, sich gegenüber Marie zu öffnen und die beiden merken, dass sie doch einiges gemeinsam haben. Zum Beispiel einen Ex-Mann, der unter dem Ödipuskomplex leidet und stets ein Kuscheltier im Bett hatte. Zwischen chaotischen Alltagserlebnissen der beiden und unerwarteten Ereignissen entwickeln sich die beiden in die jeweils andere Richtung. Eine Freundschaft der anderen Art entsteht.



Meine Meinung zu dem Buch:
 Als ich das Buch zum ersten Mal las, fand ich es recht seltsam und gewöhnungsbedürftig. Ich möchte behaupten, dass es zu 40% aus innerem Monolog, zu 40% aus Dialog und zu 20% aus Geschehnissbericht besteht. Doch wenn man erst einmal in die Geschichte hineingekommen ist, findet man Interesse daran. Maries stets etwas pubertierendes, oft kindliches Verhalten gegenüber allen ist äußerst interessant. Es ist etwas, dass ich noch nie gelesen habe. Ihre Art scheint besonders zu sein. Manchmal besonders nervig. Ich finde auch den ständig Wechsel zwischen der ruhigen und vernünftigen Helene und der aufbrausenden Marie sehr unterhaltsam. Es ist einem möglich, im Wechsel in die Köpfe der beiden hineinschauen zu können. Ihre Gedanken sind entweder verwirrend, fast dämlich, oder ziemlich intelligent. Das Buch ist wirklich gewöhnungsbedürftig und nicht für jeden geeignet. Es bedarf eine gewisse Anstrengung während des lesens und manchmal muss man Sätze zweimal lesen, um sie zu verstehen. "Rosenpsychosen" ist auf seine anstrengende Art poetisch, tiefgründig, oberflächlich und psychologisch. Alles in allem ein außergewöhnliches Buch. Ob ich es weiterempfehlen würde, kann ich nicht sagen. Ein paar bestimmten Leuten vielleicht, aber nicht im Allgemeinen.Die Autorin hat ihren eigenen Humor, der an einigen Stellen doch äußerst komisch ist und einen schmunzeln lässt. Im Ganzen könnte man sagen, es ist ein Lesespaß voller Gefühle. Marie reißt einen mit ihrer Überschwänglichkeit einfach mit, Helene hält einen gleichzeitig auf dem Boden. Dies ist absolut keine 0-8-15-Lektüre. Kein gewöhnlicher Frauenroman, sondern voller Witz, bissiger Bemerkungen und kein kitschiges Happy End.

Montag, 14. November 2016

"Der wilde Garten" von Barbara Claypole White

Isaac, der in einem ihrer Schattenbeete irgendwelche ekligen Krabbeltiere suchte, richtete sich auf und zog an seiner Schlafanzughose. "Denkst du gerade an Daddy?" "Nein." Ihr Blick folgte einer Dunstschwade, die gen Himmel stieg. "An Enland?" "Erwischt." Verflixt, selbst einem Kind gelang es mühelos, sie zu durchschauen. Zum Glück musste sie nie irgendwelche Geheimnisse bewahren. "Ich habe an den wunderbaren Sommerregen dort gedacht. Und daran, dass es dort keine Schlangen gibt." Isaac zog eine Grimasse, als seien sie gerade in ihrem Truck bei geöffnetem Fenster an einem toten Stinktier vorbeigefahren. "Willst du wieder zurück?" "Wie kommst du denn auf die Idee?" Vermeide eine direkte Antwort, das ist schlau. "Weil du denkst, dass in England alles besser ist." Isaac scharrte mit den Füßen, und das Schuldbewusstsein schnürte ihr die Kehle zu. "Aber ich will hier leben, in unserem Haus. Und zwar für immer." 


 "Die Liebe ist so unberechenbar wie ein wilder Garten"
Als Tilly auf tragische Weise ihren Mann verliert, lebt sie allein mit ihrem 8-jährigen Sohn Isaac weiterhin in North Carolina. Tilly ist leidenschaftliche Gärtnerin und betreibt einen Pflanzenhandel. Sie lebt äußerst zurückgezogen, vermeidet den Kontakt zu Kunden und überlässt dies ihrer Assistentin, die Tilly insgeheim für unfähig hält. Isaac ist der Einzige, für den sie stark sein kann. Sie ist Supermom. Doch wenn Tilly allein ist, bricht sie zusammen. Der Tod ihres Mannes und die daraus entstandenen Schuldgefühle erdrücken sie immernoch.
Eines Tages taucht ein fremder Mann in ihrem Leben auf. James, der insgeheim unter einer Zwangsstörung leidet, möchte mit Hilfe von Tilly einen Garten anlegen und sich so seinen Ängsten stellen. Doch seine Bitte wird abgelehnt, da Tilly nicht als Landschaftsgärtnerin tätig sein möchte. Außerdem benötigte ihre Mutter in England Tilly Pflege, weshalb sie schon bald in ihr geliebtes England zurückkehrt. Doch ihr Besuch in England bringt nicht die erhoffte Flucht von allen Problemen und ein wenig Erholung, sondern weitere Probleme. Tilly begegnet ihrer alten Jugendliebe, ihre Mutter will das Haus ihrer Kindheit verkaufen und dieser seltsame James taucht plötzlich im Garten ihrer Mutter auf. Die Probleme häufen sich und es gilt nun für Tilly, damit umzugehen und diese zu bewältigen.



Meine Meinung zu dem Buch:
 Für mich war es zunächst sehr schwer, in das Buch hineinzufinden. Vom Schreibstil her war es wirklich gut, aber Stellenweise trocken und langweilig. Doch dann kamen wieder Momente, die wirklich bewegend waren und man sich wunderbar in Tillys oder James' Lage hineinversetzen konnte. Ich fand es sehr interessant, das Leben aus der Sicht eines Mannes zu sehen, der unter Zwangsstörungen leidet. Auch aus der Sicht von Tilly war es recht interessant zu verfolgen, wie sie das Leben mit Kind, Arbeit und all den anderen Problemen meistert. Meiner Ansicht nach waren die interessantesten Stellen die, in denen man mitbekam, wie es James erging. Wie er panisch wurde, wenn er nur an Dreck an seinen Händen dachte. Es war wirklich gut beschrieben und verständlich, wie es ihm erging.
Leider habe ich oft gedacht, dass die Autorin unnötige Stellen eingebaut hat, die die ganze Geschichte nur unnötig in die Länge ziehen. Auch gab es leider ein paar Stellen, an denen ich nur dachte "Echt jetzt?". Es kam einem sehr an den Haaren herbeigezogen vor, wie in einer schlechten Soap. Nach dem Motto: hier muss jetzt noch irgendwas passieren. Ja, es waren unerwartete Wendungen, was dem ganzen nochmal einen Schub verpasst hat. Doch konnte ich mich mit diesen Ideen nicht anfreunden. Was ich besonders schön fand, war, dass es fast nie kitschig wurde. Liebe, ja, aber kaum Kitsch. Ich habe das Buch relativ flüssig lesen können, war aber nicht ganz so begeistert davon. Der Schluss war für mich außerdem vorhersehbar und unbefriedigend. Ich hätte ein wenig mehr erwartet. Dennoch möchte ich behaupten, es ist es wert, das Buch einmal gelesen zu haben. Immerhin hat die Autorin es geschafft, die beiden unterschiedlichsten Menschen in eine Geschichte zu packen und sich näher kommen zu lassen. Psychologisch gesehen ist es auch sehr interessant, wie Tilly mit dem Tod ihres Mannes umgeht und wie James mit seiner Zwangsstörung zu kämpfen hat und die beiden irgendwie auf den gleichen Nenner kommen. Der Leidensweg der beiden ist verständlich, lässt den Leser mitfühlen und dann miterleben zu können, wie sich die beiden zusammenraufen und sich ihren Problemen stellen, ist wunderbar zu lesen und sehr interessant.

Freitag, 11. November 2016

"Sieben Monde" von Marcus Sedgwick

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und schaute hinaus zur Oktobersonne, die bereits tief über dem westlichen Horizont stand und bald untergehen würde. Sie lief zum Friedhof, setzte sich auf das Grab und wartete auf den Einbruch der Nacht. Während sie wartete, sang sie ein Lied.
"Der Wind, er weht zu Nacht, mein Schatz, ein wenig Regen fällt herab. Ich hatt nur einen wahren Schatz, der liegt in diesem kühlen Grab. Ich tu für meinen wahren Schatz so viel wie eine junge Frau zu tun vermag. An seinem Grabe sitze ich und trauere zwölf Monate und einen Tag. Nach einem Jahr und einem Tag fing der Tote zu sprechen an: Wer sitzt da weinend an meinem Grab, sodass ich nicht schlafen kann? Ich, mein Schatz, sitz hier Stund um Stund und kann nicht schweigen still. Ein Kuss von deinem kalten Mund ist alles, was ich will."
Bei Einbruch der Nacht stand Merle auf und ließ vorsichtig alle Kleider von ihrem Körper gleiten, der dünner war denn je, aber immer noch jung und flink. Sie hob den Krug an den Mund und trank ihn ohne Zögern leer. Der Krug fiel ihr aus den Händen. Sie sank auf das Grab und hielt sich den Hals und den Bauch. 


Zwei Menschen, 7 Leben. Eric und Merle begegnen sich über Jahrhunderte immer wieder in einem anderen Leben, in einem anderen Körper, als eine andere Person. Sie finden stets wie durch Zufall zueinander. Als Bruder und Schwester, als Mutter und Sohn, als Mann und Tochter oder als Paar. Sie spüren in jedem Leben stets diese besondere Verbindung zueinander. Bei jeder neuen Begegnung in einem neuen Leben wissen sie, dass sie sich schon einmal begegnet sind und dass sie zusammengehören. Doch nur in diesem Leben, oder auch in einem anderen? Beide spüren, dass etwas besonderes zwischen ihnen besteht. Etwas magisches, etwas tiefgründiges. Etwas, dass sich über sieben Leben, über sieben Epochen hinweg erstreckt. Doch was ist es, das diese beiden Menschen über den Tod hinaus miteinander verbindet? Was bringt sie in jedem neuen Leben, in jedem neuen Zeitalter immer wieder zusammen? "Ich werde sieben Leben leben. In jedem werde ich nach dir suchen und dich lieben. Wirst du mir folgen?"


Meine Meinung zu dem Buch:
Zunächst wurde ich aus dem Buch nicht schlau. Als ich die erste Geschichte las, dachte ich zunächst, dieses Buch würde sich als eine "normale" Liebesgeschichte entpuppen. Doch den Gedanken nahm ich schnell zurück. Ich merkte bald, dass es um etwas anderes ging. Der Autor schafft es tatsächlich, schon innerhalb der ersten 30 Seiten eine gewisse Spannung aufzubauen. Geheimnisse und seltsame Ereignisse lassen einen aufmerksam weiterlesen. Die Neugier war geweckt. Jede einzelne Epoche war klar voneinander getrennt und sehr gut beschrieben. Man konnte sich sehr leicht in jedes Zeitalter hineinversetzen und von Kapitel zu Kapitel langsam einen Zusammenhang erkennen, was die Verbindung von Merle und Eric betrifft. Doch sicher konnte man nie sein. Was ich nicht gedacht hätte, war die enorme Spannung und das ich mich teilweise sogar ein wenig gegruselt habe. Das hat mir sehr gut gefallen. Dieses Buch ist eine Roman über Liebe auf eine äußerst interessante und faszinierende Weise. Darunter fällt auch der Aspekt, dass Merle und Eric ihre Liebe nicht nur im Sinne eines Paares leben. Die Liebe besteht auch in Form von Mutter und Sohn, Geschwisterliebe und so weiter.
Der Autor hat durch dieses große Geheimnis wunderbar die verschiedenen Epochen miteinander verknüpft. Jede Geschichte hat etwas grausames, wunderschönes, poetisches und blutiges an sich. Die perfekte Mischung, meiner Meinung nach. Was mir zusätzlich noch sehr gut gefallen hat (worauf ich bei guten Büchern immer Wert lege) ist, dass nichts vorhersehbar war.
Insgesamt ist es keine anspruchsvolle Lektüre, die Schrift ist recht groß und die Geschichte breitet sich auf ca 240 Seiten aus. Aber auf diesen wenigen Seiten steckt wirklich guter Lesestoff. Ich persönlich empfehle dieses Buch allen, die mal eine vollkommen neue Art der Liebesgeschichte lesen möchten.



Montag, 7. November 2016

"Wer ICH sagt, muss auch LIEBE DICH sagen." von Anica Schriever

Okay. Ganz ruhig. Tiiiiieeef durchatmen! So schlimm ist es nicht. Wirklich nicht. Ich meine, es hätte durchaus noch peinlicher werden können. Immerhin hat es keine Flügel. O Mann, wem will ich hier eigentlich etwas vormachen? Ich sehe aus wie ein rosa Sahnebonbon, das in der Sonne glitzert. Und das nicht zu knapp. Ich finde, ich habe gerade verdammte Ähnlichkeit mit Edward aus Twilight. Der hat auch so schön im Sonnenschein gefunkelt. Wenigstens sah es bei ihm genauso lächerlich aus wie bei mir. Ein kleiner Trost. Ganz stolz hatte Gunnar mir heute Morgen mein Kostüm für die Märchenstunde überreicht, das er von einer Bekannten einer Freundin, deren Mutter im Theaterfundus arbeitet, ausleihen durfte. Mir blieb bei dem Anblick dieses bonbonrosafarbenen Alptraums dagegen fast mein Toastbrot im Hals stecken. 


Mia ist fast 30, arbeitet in Berlin bei einem Käseblatt das ihrer Meinung nach kein vernünftiger Mensch lesen will, ist für die Rubrik "Herzblatt" zuständig und wartet darauf, dass ihr Freund ihr endlich einen Heiratsantrag macht. Doch das Schicksal macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Ihr Freund beendet ganz plötzlich die Beziehung und schmeißt Mia aus ihrer gemeinsamen Wohnung. Als wäre das nicht schon deprimierend genug, verliert Mia auch noch ihren Job und muss für einige Zeit auf der Couch ihrer besten Freundin schlafen. Völlig am Boden zerstört beschließt sie, die Gelegenheit zu nutzen und ihren besten Freund Gunnar zu besuchen. Zumal sie die ständigen Ratschläge und Lebensweisheiten ihrer Freundin leid ist. Bei Gunnar angekommen, findet Mia jedoch nicht die erhoffte Ruhe und Entspannung, denn Gunnar erinnert sich noch sehr gut an eine Wette, die sie zu Unizeiten unter Alkoholeinfluss aufgestellt haben. Wäre Mia bis zu ihrem 30. Geburtstag noch nicht verheiratet, dürfe Gunnar für sie einen Mann suchen. Doch der frisch Getrennten steht der Sinn so garnicht nach einem neuen Mann und so muss sie sich mit vielen Strapazen und peinlichen Situationen rumschlagen. 


Meine Meinung zu dem Buch:
Als ich das Buch das erste Mal betrachtet und mich mit dem Klappentext befasst habe, befürchtete ich eine langweilige, banale Liebesgeschichte, in der sich die beiden besten Freunde in einander verlieben. Zum Glück war das nicht der Fall.
Der Roman wird aus der Ich-Perspektive erzählt und das sehr umgangssprachlich. Das macht es wesentlich einfach, sich Mias Charakter vorzustellen und sich in sie hineinzuversetzen. Ich habe mich während der meisten Zeit des Lesens doch sehr oft aufgeregt, war angespannt und genervt. Genervt von den Eltern von Mia, genervt von ihren Freunden, die alle ständig meinten, sie könnten über ihren Kopf hinweg alles einfach entscheiden, selbst wenn es für Mia eine Qual wäre. Genauso sehr hat es mich jedoch jedes Mal aufgeregt, dass Mia einfach allem nachgegeben hat. Ich habe mich so oft gefragt, warum sie nicht einfach nein sagen kann, warum sie sich jetzt die Blöße gibt obwohl sie sich allem bewusst ist. Ich habe mir auch oft gedacht, dass ich an ihrer Stelle einfach meine Sachen packen und abhauen würde, wenn ich so eine Familie und solche Freunde hätte. Doch all das spricht absolut für das Buch, auch wenn es nicht so klingen mag. Das zeigt doch, wie gut die Geschichte geschrieben ist, wie sehr man sich in die Protagonistin hineinversetzen kann und wie sehr man in das Geschehen eintauchen kann. Sehr oft geschehen absolut unerwartete Dinge, was ich bei Büchern liebe. Nur eine einzige Sache ist grob voraussehbar, aber man kann sich dabei nie wirklich sicher sein. Dieser Roman ist eine gelungene Liebesgeschichte der völlig anderen Art und lesenswert!

Donnerstag, 3. November 2016

"Happy birthday Leonard Peacock" von Matthew Quick

Mir gefällt der Gedanke, ein Gefangener zu sein, der seine dunkle, feuchte Zelle nur für fünfzehn Minuten am Tag verlassen darf und den Blick in den Himmel daher umso mehr genießt. Und das ist es auch, was ich tue, als der stellvertretende Direktor, Mr Torres, mir auf die Schulter tippt und sagt: "Ich störe Ihre beschauliche Ruhe höchst ungern, Mr Peacock, aber sollten Sie nicht eigentlich im Klassenzimmer sein?" Ich fange an zu lachen, weil sein Verhalten so überheblich ist wie eh und je. Er kann ja auch nicht ahnen, dass ich eine P38 bei mir trage, dass ich ihm durch eine winzige Bewegung meines Zeigefingers jederzeit ins Herz schießen und seinem Leben ein Ende setzen könnte und er deshalb keine Macht über mich hat. "Was ist so lustig?", fragte er. Der Gedanke an die P38 in meinem Rucksack erfüllt mich mit einem Gefühl grenzenloser Macht, also antwortete ich: "Gar nichts. Wollen Sie sich nicht setzen? Es ist so ein wundervoller Tag. Wirklich wundervoll. Sie sehen ziemlich gestresst aus. Vielleicht sollten Sie sich gemeinsam mit mir ein wenig ausruhen. Den Himmel zu betrachten ist sehr entspannend. Das habe ich gelernt, als ich mir die Nachmittagssendungen im Fernsehen angeguckt habe, die eigentlich für Frauen bestimmt sind. Plaudern wir doch ein wenig. Lassen Sie uns versuchen, einander zu verstehen. Was halten Sie davon?"


Leonard wird 18 Jahre alt. Ein besonderer Tag. Doch anders als andere wird er seinen Geburtstag nicht feiern. Er plant etwas anderes. Er möchte an diesem besonderen Tag nicht nur seinen ehemaligen besten Freund umbringen, sondern auch sich selbst. Doppel-Mord-Selbstmord. Doch bevor er diesen Mord ausführt, muss er sich noch von ein paar besonderen Menschen verabschieden. Insgeheim hofft er dabei jedoch, dass jemand, irgendjemand an seinen Geburtstag gedacht hat und ihm gratuliert. Würde dies geschehen, würde er den geplanten Mord vielleicht abbrechen. Jedoch ist Leonard fest davon überzeugt, lieber glücklich zu sterben als so unglücklich zu werden wie all die Erwachsenen. Um sich von den besonderen Menschen in seinem Leben zu verabschieden, hat er für jeden ein Geschenk bei sich. Auch eines für sich. Eine Pistole. Doch die wird er erst dann herausholen, wenn er allen ihr Geschenk überreicht hat. 


Meine Meinung zu dem Buch:
Ich muss zugeben, dass mich das Buch am Anfang etwas verwirrt hat. Auf fast jeder Seite sind Fußnoten hinzugefügt, in denen Leonard etwas zu seiner Erzählung hinzufügt. Wichtige Hintergrundinformationen, seine Gedanken oder ähnliches, um allles besser zu verstehen. Jedoch habe ich mich schnell damit zurecht gefunden und fand es originell und interessant. Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, was es viel einfacher macht, sich in Leonard hineinzuversetzen und ihn verstehen zu können. Er lässt den Leser an seinen teilweise sehr tiefgründigen, philosophischen und absolut interessanten Gedanken teilhaben, was einen selbst oft zum Nachdenken angeregt hat. Matthew Quick behandelt in diesem Roman das Thema Selbstmord mit einer absolut passenden Feinfühligkeit und zeigt die Probleme der Jugend auf, die oft nicht gesehen werden. Um die Handlungen und Gedanken von Leonard besser verstehen zu können, werden immer wieder Erinnerungen eingeblendet, die für den Leser sehr hilfreich sind. Nach und nach erfäht man, durch was der Junge an diesem Punkt angelangt ist und man kann es sogar ein wenig nachvollziehen. Dieses Buch ist absolut bewegend, regt zum Nachdenken an und ist sehr zu empfehlen! In meinen Augen nicht nur an Jugendliche, sondern auch an Erwachsene, um die Jugend vielleicht ein wenig besser verstehen zu können.