Donnerstag, 16. November 2017

"Qualityland" von Marc-Uwe Kling

Martyn wirft einen Blick auf seine Frau. Denise hat einfach keine Klasse, denkt er. Meine Mutter würde nie so flennen. "Meine Güte, Denise!", sagt er kopfschüttelnd. "Benutz doch die App!"  "Ach ja, die App!", sagt seine Frau aufgelöst. "Die hatte ich schon wieder ganz vergessen!" Am letzten Wochenende ist Martyn mit seiner Tochter extra beim Arzt gewesen und hat ihr einen Hormonchip einpflanzen lassen. Er zieht sein QualityPad aus der Tasche, wählt die "KleinerHelfer"-App und drückt auf BERUHIGEN. Der Chip schüttet eine gute Portion Progesteron aus, und die dreijährige Göre verstummt bald darauf. Martyn nimmt das Mädchen hoch und blickt es an. Er fragt sich, wie viel Geld ihn die Aufzucht dieses Kindes insgesamt kosten wird. Erst die genetische Verbesserung, dann die schweineteure elektronische Nanny und jetzt der Chip. Aber der Chip ist jeden Cent wert. Seine Tochter hat angefangen, an seiner teuren Krawatte herumzunuckeln. Erbost zieht er den Schlips aus ihrem Mund und öffnet die App. "Neiiiiin!", sagt seine Tochter flehend. "Bitte, Papaaa! Ich will noch nicht schlafen!" Martyn drückt einen Knopf. Zwei Minuten später schläft das Mädchen freidlich in seinen Armen.



"In Qualityland lautet die Antwort auf alle Fragen: OK"

Wenn Algorithmen das komplette Leben bestimmen.
Peter Arbeitsloser, ein Maschinenverschrotter, ist gerade in seinem gesellschaftlichen Rang auf "Nutzloser" herabgestuft worden, nachdem seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat. Nun gilt er als ein Niemand. Das ist Qualityland. Das Land der Superlative, das Land der Algorithmen, in dem jeder nach Ruhm, Erfolg und dem perfektem Partner strebt. "Everybody", das Social Network für jeden, errechnet per Algorithmus, wer die passenden Freunde für dich sind. Die Dating-App "QualityPartner" wählt den Partner aus, der laut Algorithmen am besten zu dir passt und TheShop schickt dir alle Artikel, die du angeblich unbewusst willst, automatisch zu. Peter Arbeitloser ist genervt von alldem. Bezahlen per Kuss, dem sogenannten "TouchKiss"-Zahlungssystem, vor jedem Geschlechtsverkehr einen Vertrag unterzeichnen müssen und jeder hat sofort Einblick in die Daten eines anderen. Er zieht sich in seinem Laden gern in den Keller zurück, wo er heimlich Roboter leben lässt, die er längst hätte verschrotten müssen. Denn in Qualityland darf nichts repariert werden, sondern wird höchstens durch etwas neues ersetzt. Lange lässt Peter das System von Qualityland stumm über sich ergehen, bis er eines Tages einen pinken Delfinvibrator von TheShop erhält, den er einfach nicht zurückgeben kann. Peter versucht alles mögliche, aber überall bekommt er nur zu hören, dass der Algorithmus sagt, er wolle den Vibrator, auch wenn Peter selbst es anders sehe. Der Algorithmus hat in Qualityland einfach immer recht. Peter reicht es, er beugt sich nicht mehr länger den Ungerechtigkeiten des Systems. Zusammen mit seinen Roboterfreunden beginnt er, sich gegen das System aufzulehnen und geht an die Öffentlichkeit. Wird er Erfolg haben und den Menschen die Augen öffnen können?


Meine Meinung zu dem Buch:
Als ich hörte, dass Marc-Uwe Kling ein neues Buch herausgebracht hatte, musste ich es mir sofort holen. Der Autor, der die Känguru-Triologie verfasst hat, konnte mich ja nur schwer enttäuschen. Und wieder einmal war ich von seinem Werk begeistert!
Qualityland ist ein äußerst gesellschaftskritisches und witziges Buch darüber, wie unsere Welt in Zukunft eventuell aussehen könnte. Auf leicht schockierende Art macht Kling dem Leser bewusst, wie sehr wir schon von den Medien und allgemein elektronischen Geräten abhängig geworden sind.  Könnte seine Vision von Qualityland sich also eines Tages bewahrheiten? Ich halte es nicht für ausgeschlossen. Der Autor greift in seinem Roman schon einige Dinge auf, die wir heutzutage in gewisser Weise schon haben. Dass man die Entwicklung eines Kindes bereits bei der Zeugung im Reagenzglas genetisch beeinlussen kann (was aber zum Glück noch nicht Norm ist) oder das uns Partner anhand von Algorithmen errechnet und vorgeschlagen werden. Aber wie sieht es mit Robotern aus? Wie weit wird sich die Technik noch entwickeln? Werden Roboter vielleicht eines Tages als Kanzler, Präsidenten etc. kandidieren? Werden wir Menschen uns emotional immer weiter voneinander entfernen und alles nur noch auf rein technischer Ebene erleben? 
Der Roman "Qualityland" ist meiner Meinung nach ein wunderbar abschreckendes Beispiel dafür, dass man seine Daten nicht immer und überall preisgeben sollte. Dass Anonymität heutzutage ein Luxus ist, worauf wir mehr Acht geben sollten. In Qualityland sind Menschen keine Individuen mehr. Sie sind ihr Status, ihr Level. Es wird nicht mehr auf den Charakter geachtet, sondern darauf, welchen Rang man hat und wie viel Einfluss man hat. Der Mensch wird zum Produkt.
Mal ganz abgesehen von diesen doch eher negativen Fakten scheint mir der Protagonist, Peter Arbeitsloser, wie ein Farbklecks in der grauen Welt zu sein. Er hinterfragt, er denkt noch nach. Und als er irgendwann beschließt nicht mehr blind alles abzunicken und zu allem OK zu sagen, gefällt mir die Geschichte immer besser. Ich finde es super spannend, wie Peter beginnt, sich gegen das System aufzulehnen. Das macht er natürlich auf seine Weise. Er platzt in eine Talkshow um sich Gehör zu verschaffen und stellt noch das eine oder andere an, was ich euch aber nicht vorwegnehmen möchte. Auf jeden Fall kommt damit etwas mehr Action in die Geschichte und lockert sie noch etwas auf! Ich habe mich während des Lesens immer wieder wunderbar darüber aufregen können, wie abgestumpft alle Bewohner von Qualityland geworden sind und alles akzeptierten wie es eben kam.
"Qualityland" regt einen wirklich zum Nachdenken an und ich möchte euch nahelegen, es wirklich mal zu lesen. Es lohnt sich.

Freitag, 10. November 2017

"Ensel und Krete - Ein Märchen aus Zamonien" von Walter Moers

Krete wusste nicht, was sie tun sollte. Ensel stand bis zu den Knöcheln im öligen Wasser, mit geschlossenen Augen, und schrie wie am Spieß. Es war ein langgezogener, unaufhörlicher Schrei in wilder Panik, wie von jemandem, der aus großer Höhe in die Tiefe stürzt. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, daß Ensel wild mit den Armen ruderte. Aber Krete konnte nichts erkennen, was ihm Schmerzen verursachte oder dieses absurde Verhalten rechtfertigte. War das vielleicht einer seiner idiotischen Scherze? "Ensel, laß das! Komm raus da!" Ensel schrie weiter, anhaltend und beängstigend. "Jetzt komm endlich raus, das ist nicht lustig. Vielleicht ist das ein Sumpf. Ensel!" Krete überlegte, hinterherzuwaten und ihn herauszuziehen. Es war nur ein kurzer Schritt ins schlammige Wasser, aber Krete zögerte. "Ich kann dich zu deinem Zögern nur aufrichtig beglückwünschen", sagte da eine wohlbekannte Stimme hinter ihr. "Ich würde diesen mysteriösen Schlamm auch nicht betreten."


Die idyllische Gemeinde namens Bauming gilt, seitdem die Buntbären den großen Wald bevölkert haben, als eine der anziehendsten Touristenattraktion Zamoniens. Sie schufen ein wahres Ferienpardies für Naturfreunde und sorgen stets für die Sicherheit der Urlauber. Doch wehe dem, der die markierten Wege verlässt und einfach den Wald betritt. Solange die Wege nicht verlassen werden, ist man in Sicherheit. Aber wie Kinder so sind, wagen es die beiden Geschwister Ensel und Krete, zwei Zwerge aus Fernhachen, und verlassen den Weg. Sie wollen etwas neues sehen in der ihnen so bekannten Umgebung. Also wagen sie sich ins Unterholz des Waldes und gehen tiefer und tiefer hinein. Schnell wird den Zwergenkindern ihre Neugierde zum Verhängnis. Der Wald offenbart sein wahres Ich voller Gefahren, Monster, Monsterpflanzen, gefährlicher Sümpfe und am schlimmsten: einer bösen Hexe. Werden die beiden Kinder jemals wieder aus dem Wald heraus und zurück zu ihren Eltern finden, oder werden sie von den Wesen des Waldes gefressen?

Meine Meinung zu dem Buch:
Ich bin eine begeisterte Leserin der Bücher von Walter Moers. Darum war ich umso gespannter, wie er dieses "Zamonische Märchen" (dass für jeden eindeutig an das Märchen "Hänsel und Gretel" anlehnt) auf seine Art erzählen würde. Und wie immer war ich keineswegs enttäuscht. Zu Beginn gab es kleine Abschweifungen, aber die hatte man schnell hinter sich gelassen und der wirklich interessante Teil beginnt! Wieder einmal verblüfft der Autor mit seiner unglaublischen Fantasie. All diese Wesen, die Zwergenkinder aus Fernhachen, ein gemeingefährlicher Laubwolf, unsterbliche Sternenstauner, ehrgeizige Erdgnömchen, ein unberechenbarer Stollentroll und viele mehr erwarten den Leser in diese Buch. Zugegeben, es ist nicht leicht, sich diese Wesen bildlich vorzustellen, aber gerade das finde ich so faszinierend an den Geschichten von Moers. Es ist nichts, was man schon irgendwie auf irgendeine Weise gesehen haben könnte. Das Unmögliche. Absolut abstrakt und verblüffend. Auch die Charakterzüge der einzelnen Wesen sind fantastisch beschrieben worden, so dass man sich wunderbar deren Stimmen und alles drum und dran vorstellen kann, soweit es möglich ist. Auch typisch für die Geschichten von Moers ist, dass man sich ein Ende nicht denken kann. Absolut nicht. Gut, hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder Ensel und Krete finden aus dem Wald oder eben nicht (vielleicht bleiben sie für immer dort, vielleicht sterben sie auch- bei Moers ist alles möglich!). Dieses Märchen ist eine Fantasiereise der anderen Art. Allgemein ist die Geschichte spannend und aufregend geschrieben. Man begeleitet die Zwergenkinder auf ihrem langen, beschwerlichen Weg durch den Wald und wartet gespannt, was sie als nächstes finden werden-  oder wer die Kinder als nächstes findet. Hier und da scheint es Hoffnung für die Kinder zu geben. Aber dazu möchte ich nichts genaueres sagen.
"Ensel und Krete" ist keine Neuverfassung des Märchens "Hänsel und Gretel", sondern zeigt lediglich, was in der Literatur alles möglich ist. Und ich bin beeindruckt. Meiner Ansicht nach kann diese Geschichte den anderen Büchern von Moers zwar nicht ganz das Wasser reichen, aber ich hatte großen Spaß daran, es zu lesen und fand es einfach faszinierend!

Donnerstag, 2. November 2017

"Immer diese Herzscheiße" von Nana Rademacher

Wenn man mich fragen würde, worum's in dem Stück eigentlich geht, würd ich persönlich sagen, es geht um blöde Missverständnisse. Die hören sich alle nicht richtig zu. Der eine versteht den anderen nicht und umgekehrt, oder sie wollen sich nicht verstehen. Alles geht durcheinander, und das soll dann lustig sein. Vielleicht war das ja auch bei Dixi und mir so, nur dass es nicht lustig war.
Und vielleicht ist es wirklich so, dass:
           1. Im Grunde das ganze Leben aus Missverständnissen besteht. Und dass:
           2. Man dem anderen nie RICHTIG zuhört. Und
           3. der andere einem auch nie RICHTIG zuhört.
Wenn ich so'n Zeug denke, ist klar, dass ich echt schlechte Laune habe. Es geht auch um Liebe in dem Stück, würd ich sagen, das gefiel mir, aber mir gefiel nicht, dass ich so oft an Paul denken musste. Immer wenn ich seinen Text las, hörte ich seine Stimme, wie er es sagen würde. So paulernsthaft und gleichzeitig paulleicht, als ob alles echt wär und nicht bloß ein Theaterstück. Ich dachte an die Winterblumen, die er für mich gepflückt hatte. Und dann dachte ich wieder an Dixi.

Sarah ist 15 Jahre alt, lebt in Stuttgart und geht auf die Werkrealschule. Ihre Vorstellung von der Zukunft? Harzt IV oder Schwarzarbeiter. In ihrer Freizeit hängt sie mit ihren Freunden herum, betrinkt sich, macht Party und klaut. Schon seit sie ein kleines Kind war, lebt Sarah bei ihren Großeltern. Ihre Mutter hat sie und ihren älteren Bruder damals einfach verlassen und ist nach Berlin abgehauen.
Als Sarah eines Tages von ihrem Lehrer in der Schule beim Verkauf von Drogen erwischt wird, hat das Konsequenzen. Doch der Lehrer stellt sie vor die Wahl: entweder beteiligt sich Sarah an einem Theaterstück seines Sohnes, oder es wird eine Lehrerkonferenz einberufen und sie erhält einen Verweis. Da Sarah Angst hat, ihre Großmutter könnte deswegen einen Herzanfall bekommen, erklärt sie sich widerwillig für das Theaterprojekt bereit. Doch das war leider noch nicht alles. Weil Sarah in der Schule weiterhin Misserfolge hat und ständig Mist baut, veranlasst ihr Lehrer, dass Sarah Nachhilfe bekommen soll. Diese Aufgabe übernimmt Kathi, eine Studenten, die im Theater mitspielt. Sarah kann sie nicht ausstehen und findet Kathi einfach nur spießig. Doch das ändert sich mit der Zeit. Auch lernt Sarah beim Theaterstück Paul kennen. Den schüchternen, schlaksigen Paul. Eigentlich ist er überhaupt nicht Sarahs Typ, aber irgendwas ist da zwischen den beiden. Währendessen geht es in Sarahs Clique drunter und drüber. Sie streitet ständig und immer heftiger mit ihrer besten Freundin Dixi, bis diese eines Nachts ins Krankenhaus muss. Alles steht Kopf und Sarah weiß oft einfach nicht mehr, was sie machen soll. Und wo ist ihr Platz in dieser Welt?

Meine Meinung zu dem Buch:
Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn wirklich Mühe hatte, in das Buch reinzukommen. Die Geschichte sprach mich irgendwie garnicht an. Sarahs Art, dieses aufmüpfig sein, frech, brutal, immer mit Ausdrücken, das hat mir garnicht gefallen. Es war einfach nervig. Aber so ist ihre Art eben. Ich habe mir dabei immer gedacht, sie macht das nicht mit Absicht. Sie hatte vielleicht eine schwere Kindheit und auch jetzt kein leichtes Leben. Wurde von der Mutter verlassen, lebt bei ihren Großeltern, die mit ihrem Geld immer geradeso über die Runden kommen. Als ich mir dass dann endlich bewusst gemacht hatte, habe ich das Buch etwas besser lesen können. Es war absolut interessant, mal ein Leben eines jungen Mädchens aus solch einer Situation kennenlernen zu dürfen. Ihre Gedankengänge, ihre Handlungen, alles sehr emotional, impulsiv und energisch. Irgendwann konnte ich sogar mit Sarah mitfühlen, wenn es mal richtig mies lief und sie nicht weiter wusste. Selbst ich habe dann eine gewisse Verzweiflung oder Wut gespür und mich gefragt, was ich an ihrer Stelle in dieser Situation getan hätte. Die Geschichte wurde zunehmend interessanter und besser. Da alles aus der Ich-Perspektive (also aus Sarahs Sicht) erzählt wurde, hat es das Mitfühlen wesentlich leichter gemacht. Die einzelnen Charaktere sind auch wunderbar beschrieben worden. Ich konnte mir gut vorstellen, wie zum Beispiel der schüchterne Paul aussah, wie er klang und wie er sich verhielt. Ebenso konnte ich mir sehr deutlich Sarahs Freundin Dixi vorstellen. Klein, schrill, vielleicht stark geschminkt, lässt sich von niemandem etwas gefallen. Charakterlich sind in dieser Geschichte die krassesten Gegenteile vorhanden, was ich ziemlich interessant fand. Auch gab es immer wieder krasse Wendungen. Höhen und Tiefen in der Geschichte sind ungeleichmäßig verteilt. Wenn ich das Buch richtig verstanden habe, steckt eine kleine Message dahinter. Sarah will sich eigentlich garnicht erst um ihre Zukunft bemühen und Hartz IV Empfänger werden. Aber im Laufe der Geschichte merkt sie immer wieder erneut, dass sie etwas besonderes kann und daraus etwas machen könnte. Etwas, dass ihr Spaß macht. Sie soll nicht gleich aufgeben, ohne überhaupt etwas versucht zu haben. Überhaupt stecken in der Geschichte diverse kleine und große philosophische Fragen. Der Sinn des Lebens, die Existenz der Menschen und anderes.
Als ich mich endlich in das Buch reingelesen hatte, fand ich es wirklich interessant, unterhaltsam und sogar spannend. Ich wollte einfach wissen, was Sarah alles passiert, wie sie damit umgeht, wie sie sich in dieser Zeit entwickelt. Es ist wirklich kein Buch für jeden, eher speziell. Aber ich habe es letzten Endes nicht bereut, es gelesen zu haben.

Mittwoch, 1. November 2017

"Jane Austens Geheimnis" von Charlie Lovett

Onkel Bertram und sie schlenderten dann durch Londons Straßen und erkundeten irgendein Stadtviertel oder besuchten Gebäude, die etwas mit Literatur zu tun hatten. Sie gingen in Museen und Büchereien mit seltenen Büchern und sahen sich Theaterstücke oder Musicals an, die eine literarische Vorlage hatten. Aber vor alle kauften sie ein, und Sophie gab mit Begeisterung ihr müsam gespartes Taschengeld für "staubige, alte Bücher" aus. Onkel Berram kannte jeden Buchladen in der Stadt, jeden Verkaufsstand mit Antiquitäten, bei dem man meist weiter hinten auf ein verstecktes Bücherregal stieß, jeden Straßenverkäufer auf den Antikmärkten in der Portobello Road oder in Camden Passage, der ein oder zwei Bücher auf seiner ausgebreiteten Decke anbot. Und nach ihrem Bücherbummel machten sie es sich in seiner Wohnung in Maida Vale vor dem Kaminfeuer bequem und lasen. Am Anfang las Onkel Bertram immer Sophie vor, doch schon bald wechselten sie sich nach jedem Kapitel von The Ingoldsby Legends, Der geheime Garten oder Robinson Crusoe ab. Sophie gefielen vor allem die Anfangssätze - sie bargen so viele Möglichkeiten in sich. Am liebsten mochte sie die einfach gehaltenen. "Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun" oder "Ob ich schließlich der Held meines eigenen Lebens werde, oder ob jemand anderes diese Stelle einnehmen, wird, das sollen diese Blätter zeigen" oder "In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit".

Sophie Collingwood ist eine passionierte Buchsammlerin und liebt vor allem die Bücher von Jane Austen. Diese Leidenschaft hat sie ihrem Onkel Bertram zu verdanken, der sie in die Welt der Bücher einführte, als Sophie noch ein Kind war. Doch als ihr Onkel plötzlich stirbt, bricht für Sophie eine Welt zusammen. Sie kann außerdem nicht glauben, dass es nur ein Unfall war, der zum Tode ihres Onkels geführt haben soll. Vielleicht hat sie einfach nur zu viele Krimis gelesen, doch Sophie kann das so nicht hinnehmen und stellt eigene Nachforschungen an. Währenddessen nimmt sie einen Job in einem Antiquariat an, für den sie wie geschaffen ist. Als eines Tages gleich zwei Interessenten nach der Zweitausgabe „Ein kleines Buch allegorischer Geschichten" fragen und dieses in Auftrag geben, wird alles noch merkwürdiger. Welcher Sammler möchte denn Zweitausgaben? Noch dazu von einem Buch, von dem niemand etwas zu wissen scheint? Es ist nirgendwo aufzufinden, aber Sophies Neugier ist geweckt. Wieso ist das Interesse daran so groß, dass einer der beiden Kunden ihr sogar droht? Steckt er möglicherweise auch hinter Onkel Bertrams Tod? Und was ist so besonders an diesem Buch? Nach und nach entdeckt Sophie die Geheimnisse hinter „Ein kleines Buch allegorischer Geschichten" und kommt dem Schlüssel zum Geheimnis um Jane Austens Meisterwerk “Stolz und Vorurteil” immer näher. Doch damit begiebt sie sich selbst immer mehr in Gefahr.


Meine Meinung zu dem Buch:
Als ich den Titel das erste Mal sah, wurde ich gleich neugierig. Dass Jane Austen in der heutigen Literatur immernoch eine Rolle spielt, hat mich sehr gefreut. Denn ich mag ihre Geschichten sehr. Vor allem Stolz und Vorurteil. Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: zur heutigen Zeit und zur Zeit von Jane Austen. Die Zeitstränge sind klar und deutlich getrennt und es kommt so schonmal nicht zu Verwirrungen während des Lesens. Parallel zur Geschichte von Sophie Collingwood erlebt der Leser, wie die junge Jane Austen Freundschaft mit einem gewissen Mister Mansfield schließt, welcher der Autor von „Ein kleines Buch allegorischer Geschichten" ist. Mister Mansfield hilft Jane Austen dabei, Inspiration für ihre eigenen Romane zu finden. Man kann mitverfolgen, wie sich die Geschichten von Jane Austen langsam entwickelten und wie sie ihre Ideen erlangt hat. Währenddessen in unserer Zeit setzt sich Sophie damit außeinander, was es mit dem Buch von Mister Mansfield auf sich hat und entdeckt langsam, dass Jane Austen mit involviert war. Aber was hat das alles zu bedeuten? Was war das Geheimnis der damaligen Autorin? Sophie stößt auf ein unglaubliches, für sie schreckliche Geheimis, dass sie nicht glauben kann. Hat sich die Welt so in Jane Austen getäuscht? Bzw. hat Jane Austen die Welt so sehr getäuscht, all die Jahre in denen Menschen ihre Bücher lasen? Es ist eine wirklich aüßerst spannende Geschichte!
Es fällt leicht, sich die einzelnen Charaktere ganz genau vorzustellen. Und die Passagen, in denen Sophie mit ihrem Onkel zusammen zwischen Büchern saß, haben mir persönlich besoners gut gefallen. Ich bildete mir sogar ein, den Duft der alten Bücher riechen zu können. Einfach wundervoll.
Zur Figur von Sophie: ich konnte mich gut mit ihr identifizieren. Sie ist jung, kennt ihren Platz in der Wel noch nicht richtig, weiß nicht wohin und liebt Bücher über alles. Was mich jedoch an ihr störte, waren ihre "Romanzen". Ich konnte ihr Handeln nicht nachvollziehen und fand generell den Aspekt der Liebe in diesem Roman unnötig. Man hätte es meiner Meinung nach auch auslassen können. Einer ihrer "Verehrer" war für sich so an dern Haaren heribeigezogen, dass es einfach nur seltsam war. Er erscheint am Anfang der Geschichte kurz, ist dann das ganze Buch über nicht anwesend und taucht am Ende wieder auf. Das schien mir doch sehr ungeschickt gemacht. Doch trotz alldem würde ich das Buch wieder lesen!
Der Teil der Geschichte, der in unserer jetzigen Zeit spielt, kommt einem Krimi recht nahe, doch nicht zu sehr. Ich bin kein Krimi-Fan, fand hier aber einen angehmen Grad davon vor. Es war spannend, aufregend, man hat sich im Hinterkopf immer eigene Gedanken gemacht zu den Ereignissen und Fakten. Wem kann Sophie trauen? Sind ihre Entdeckungen wahr? Wer ist gut und wer ist böse? Spannend und wundervoll geschrieben von Anfang an, absolut zu empfehlen!