Donnerstag, 2. November 2017

"Immer diese Herzscheiße" von Nana Rademacher

Wenn man mich fragen würde, worum's in dem Stück eigentlich geht, würd ich persönlich sagen, es geht um blöde Missverständnisse. Die hören sich alle nicht richtig zu. Der eine versteht den anderen nicht und umgekehrt, oder sie wollen sich nicht verstehen. Alles geht durcheinander, und das soll dann lustig sein. Vielleicht war das ja auch bei Dixi und mir so, nur dass es nicht lustig war.
Und vielleicht ist es wirklich so, dass:
           1. Im Grunde das ganze Leben aus Missverständnissen besteht. Und dass:
           2. Man dem anderen nie RICHTIG zuhört. Und
           3. der andere einem auch nie RICHTIG zuhört.
Wenn ich so'n Zeug denke, ist klar, dass ich echt schlechte Laune habe. Es geht auch um Liebe in dem Stück, würd ich sagen, das gefiel mir, aber mir gefiel nicht, dass ich so oft an Paul denken musste. Immer wenn ich seinen Text las, hörte ich seine Stimme, wie er es sagen würde. So paulernsthaft und gleichzeitig paulleicht, als ob alles echt wär und nicht bloß ein Theaterstück. Ich dachte an die Winterblumen, die er für mich gepflückt hatte. Und dann dachte ich wieder an Dixi.

Sarah ist 15 Jahre alt, lebt in Stuttgart und geht auf die Werkrealschule. Ihre Vorstellung von der Zukunft? Harzt IV oder Schwarzarbeiter. In ihrer Freizeit hängt sie mit ihren Freunden herum, betrinkt sich, macht Party und klaut. Schon seit sie ein kleines Kind war, lebt Sarah bei ihren Großeltern. Ihre Mutter hat sie und ihren älteren Bruder damals einfach verlassen und ist nach Berlin abgehauen.
Als Sarah eines Tages von ihrem Lehrer in der Schule beim Verkauf von Drogen erwischt wird, hat das Konsequenzen. Doch der Lehrer stellt sie vor die Wahl: entweder beteiligt sich Sarah an einem Theaterstück seines Sohnes, oder es wird eine Lehrerkonferenz einberufen und sie erhält einen Verweis. Da Sarah Angst hat, ihre Großmutter könnte deswegen einen Herzanfall bekommen, erklärt sie sich widerwillig für das Theaterprojekt bereit. Doch das war leider noch nicht alles. Weil Sarah in der Schule weiterhin Misserfolge hat und ständig Mist baut, veranlasst ihr Lehrer, dass Sarah Nachhilfe bekommen soll. Diese Aufgabe übernimmt Kathi, eine Studenten, die im Theater mitspielt. Sarah kann sie nicht ausstehen und findet Kathi einfach nur spießig. Doch das ändert sich mit der Zeit. Auch lernt Sarah beim Theaterstück Paul kennen. Den schüchternen, schlaksigen Paul. Eigentlich ist er überhaupt nicht Sarahs Typ, aber irgendwas ist da zwischen den beiden. Währendessen geht es in Sarahs Clique drunter und drüber. Sie streitet ständig und immer heftiger mit ihrer besten Freundin Dixi, bis diese eines Nachts ins Krankenhaus muss. Alles steht Kopf und Sarah weiß oft einfach nicht mehr, was sie machen soll. Und wo ist ihr Platz in dieser Welt?

Meine Meinung zu dem Buch:
Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn wirklich Mühe hatte, in das Buch reinzukommen. Die Geschichte sprach mich irgendwie garnicht an. Sarahs Art, dieses aufmüpfig sein, frech, brutal, immer mit Ausdrücken, das hat mir garnicht gefallen. Es war einfach nervig. Aber so ist ihre Art eben. Ich habe mir dabei immer gedacht, sie macht das nicht mit Absicht. Sie hatte vielleicht eine schwere Kindheit und auch jetzt kein leichtes Leben. Wurde von der Mutter verlassen, lebt bei ihren Großeltern, die mit ihrem Geld immer geradeso über die Runden kommen. Als ich mir dass dann endlich bewusst gemacht hatte, habe ich das Buch etwas besser lesen können. Es war absolut interessant, mal ein Leben eines jungen Mädchens aus solch einer Situation kennenlernen zu dürfen. Ihre Gedankengänge, ihre Handlungen, alles sehr emotional, impulsiv und energisch. Irgendwann konnte ich sogar mit Sarah mitfühlen, wenn es mal richtig mies lief und sie nicht weiter wusste. Selbst ich habe dann eine gewisse Verzweiflung oder Wut gespür und mich gefragt, was ich an ihrer Stelle in dieser Situation getan hätte. Die Geschichte wurde zunehmend interessanter und besser. Da alles aus der Ich-Perspektive (also aus Sarahs Sicht) erzählt wurde, hat es das Mitfühlen wesentlich leichter gemacht. Die einzelnen Charaktere sind auch wunderbar beschrieben worden. Ich konnte mir gut vorstellen, wie zum Beispiel der schüchterne Paul aussah, wie er klang und wie er sich verhielt. Ebenso konnte ich mir sehr deutlich Sarahs Freundin Dixi vorstellen. Klein, schrill, vielleicht stark geschminkt, lässt sich von niemandem etwas gefallen. Charakterlich sind in dieser Geschichte die krassesten Gegenteile vorhanden, was ich ziemlich interessant fand. Auch gab es immer wieder krasse Wendungen. Höhen und Tiefen in der Geschichte sind ungeleichmäßig verteilt. Wenn ich das Buch richtig verstanden habe, steckt eine kleine Message dahinter. Sarah will sich eigentlich garnicht erst um ihre Zukunft bemühen und Hartz IV Empfänger werden. Aber im Laufe der Geschichte merkt sie immer wieder erneut, dass sie etwas besonderes kann und daraus etwas machen könnte. Etwas, dass ihr Spaß macht. Sie soll nicht gleich aufgeben, ohne überhaupt etwas versucht zu haben. Überhaupt stecken in der Geschichte diverse kleine und große philosophische Fragen. Der Sinn des Lebens, die Existenz der Menschen und anderes.
Als ich mich endlich in das Buch reingelesen hatte, fand ich es wirklich interessant, unterhaltsam und sogar spannend. Ich wollte einfach wissen, was Sarah alles passiert, wie sie damit umgeht, wie sie sich in dieser Zeit entwickelt. Es ist wirklich kein Buch für jeden, eher speziell. Aber ich habe es letzten Endes nicht bereut, es gelesen zu haben.

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