Mittwoch, 7. Februar 2018

"Und du bist...?" von Samsara Kaiser

Er lässt meine Hand nicht mehr los. Er hält sie so fest, dass es mir schon fast weh tut. Fast wie ein kleiner Junge, der die Hand seiner Mutter nicht mehr loslassen will. Aus Angst alleine zu bleiben. Aus Angst verlassen zu werden. Er bringt mich auch an diesem Tag zurück zum Heim. Den ganzen Weg laufen wir händchenhaltend. Waren wir so etwas wie ein Paar? Ich weiß an diesem Punkt noch nicht mal mehr, ob ich wirklich so etwas wie ein Freund für ihn bin. Ich kenne aber meine Gefühle. Ich werde ihn damit fürs erste aber nicht überfordern. Ich spüre es. Es ist Angst, die er überwinden muss. Ich kann ihm dabei helfen. Und dann wird er erkennen, wie er wirklich fühlt. Bis dahin werde ich einen festen Platz in seinem Herzen haben. Und dann wird sich für mich endlich alles ändern. Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell jemanden finden würde, dem ich mein Herz schenken kann. Wir beide sind genug. Ich brauche sonst niemanden mehr. Wir können eine Familie werden. Zwei Menschen, die sich lieben, werden eine Familie. Oder liege ich damit falsch? Ich habe meinen Platz gefunden. Mein Platz ist, wo auch immer du bist. Meinen Namen werde ich auch ändern. In Mira Choi. Zwei Menschen, die heiraten, haben denselben Familiennamen, auch das weiß ich. Kurz fühlt es sich so an, als ob es Wirklichkeit werden könnte. Mein Name, meine Identität, meine Familie.


Mit 15 Jahren begegnen sie sich das erste Mal, Mira und Min-Ho. Beide spüren auf Anhieb eine Verbundenheit zwischen sich, wie sie es zuvor noch nie erlebt hatten. Vorsichtig tasten sie sich aneinander, beide emotional zurückhaltend und mit geheimen, grausamen Vergangenheiten. Doch diese halten sie vor einander verborgen. Als Min-Ho eines Tages von seinen Adoptiveltern erfährt, wieso er tatsächlich bei ihnen gelandet ist und was sich in seiner Vergangenheit abgespielt hat, bricht er sofort auf und reist nach Korea, in sein Heimatland. Mira weiß von all dem nichts, weiß nur, dass Min-Ho plötzlich aus ihrem Leben verschwindet. Es bricht ihr das Herz endgültig. Während Min-Ho in Korea versucht, aufzudecken, was es mit seiner Vergangenheit, dem Tod seiner Eltern, seiner Adoption und dem Familienunternehmen auf sich hat, leidet Mira in Amerika große Qualen. Sie ist zwar bemüht, ein normales Leben zu führen, beginnt ein Studium, findet eine beste Freundin, lernt sogar einen jungen Mann kennen. Doch innerlich ist sie zerstört. Ohne Psychopharmaka ist es ihr unmöglich geworden, zu leben. Und erst recht ist es ihr seit Min-Hos Abreise unmöglich, wieder zu lieben. Beide werden älter, leben ihr Leben so gut es geht. Doch es ist ein täglicher Kampf, der die beiden immer weiter zerreißt. Doch viele Jahre später begegnen sich die beiden unverhofft wieder. Aber wieso kehrt Min-Ho nach Amerika zurück? Und was hat er mit der Firma zu schaffen, die Miras Ehemann gehört? Es ist kein Zufall, dass sich die beiden wieder begegnen. Dunkle Geheimnisse müssen aufgedeckt und Leben gerettet werden.


Meine Meinung zum Buch:
Ich hatte zu Beginn leichte Einstiegsschwierigkeiten. Das Buch beinhaltet sehr viele und sehr häufige Zeitsprünge und Wechsel zwischen mehreren Personen. Hauptsächlich natürlich zwischen Mira und Min-Ho. Doch erzählen sie beiden nicht einheitlich aus ihrer Sicht. Mal liest man von der Vergangenheits-Mira, dann von der Mira in der Gegenwart. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Erzählung aus der Perspektive von Min-Ho. Mit der Zeit fiel es mir zum Glück leichter. Die Kapitel wurden von der Autorin natürlich immer dementsprechend mit Jahreszahlen gekennzeichnet, dennoch war ich immer leicht irritiert und musste mich sehr konzentrieren. Davon mal abgesehen kam man sehr schnell in die Geschichte rein. Schon von Beginn an war es recht spannend gehalten. Eigentlich haben sich bei  mir gleich von Anfang an im Hinterkopf Fragen angesammelt, die das Lesen noch aufregender machten! "Und du bist...?" war für mich ein Buch, das einfach ständig einen Spannungsbogen aufrecht erhielt und ich nicht aufhören wollte zu lesen, selbst wenn es schon halb 2 in der Nacht war. Es kamen einfach ständig neue Fragen auf, ich habe neue Thesen aufgestellt warum etwas wie sein könnte, wer schuld sein könnte, was tatsächlich passiert war.
Eine kleine Bemerkung am Rande: das Buch hätte vorher besser nochmal korrekturgelesen werden sollen. Es gab doch recht häufig Schreibfehler, fehlerhafte Zeichensetzung und manchmal schienen mir manche Formulierungen etwas überspitzt. Aber all dies hatte ich schnell ausgeblendet, da mich die Geschichte an sich wirklich gefesselt hat!
Also, das Buch verläuft zum Großteil in zwei Handlungssträngen, erzählt von Mira und Min-Ho. Man kann sich sehr schnell ein Bild von den beiden machen und eine Gewisse Sympathie für sie entwickeln. Durch die unterschiedlichen Perspektiven (und Zeiten) kam sehr viel mehr Spannung in die Handlung. Wobei Miras Perspektive für mich doch immer konfuser wurde, weniger nachzuvollziehen und mich innerlich doch sehr angespannt hat. Das ergibt am Ende aber alles einen Sinn, keine Sorge. Bei Min-Ho überschlugen sich die Ereignisse immer häufiger, so dass ich manches zweimal lesen musste, um zu verstehen, was nun genau geschehen war. Jedoch hat mich das nicht weiter gestört. Übrigens: wer denkt, es handele sich hierbei um einen reinen Liebesroman, der hat sich geirrt. Dieses Buch beinhaltet enorme Anteile an Thriller, Krimi, Drama und einer ordentlichen Prise Psychologie. Man wird immer wieder sehr überrascht, wer in Wahrheit Feind oder Freund ist.
Dies ist meiner Meinung nach kein Buch, das man mal zur Entspannung lesen kann. Ich persönlich war die ganze Zeit über sehr aufgeregt, neugierig und angespannt. Teilweise auch frustriert, weil mit Informationen verborgen blieben. Aber als ich das Buch beendet hatte, dachte ich mir einfach nur "Wow." Ich war geplättet, auf positive Art. Die Story an sich ist es einfach wert, das Buch zu lesen. Das Ende war ein sehr fieser Cliffhanger, aber zum Glück kommt schon demnächst der zweite Band raus. Ich bin schon enorm gespannt, wie es weitergeht. In "Und du bist...?" wird laut Autorin die Geschichte von Mira und Min-Ho sozusagen nur eingeleitet. Im zweiten Band wird es also richtig zur Sache gehen, hoffe ich. Und hoffentlich werden wir Leser dann endlich erfahren, was wir so dringend wissen wollen!

Samstag, 3. Februar 2018

"Der Wortschatz" von Elias Vorpahl

"Ich war noch nie so tief unten", sagte das Stundenglas. "Das ist der Bereich der toten Sprache."
"Tote Sprache?", fragte das Wort.
"Die Archaismen leben hier. Methusalemworte." Die Strömung ließ nach. Endlich spürte das Wort festen Grund unter sich. Es war stockfinster. "Was sind Methusalemworte?", fragte sie und hielt immer noch die Hand des Stundenglases fest umschlossen. "Die ältesten Worte, die es in unserer Welt gibt. Tausende von Jahren alt."
"Wir sollten uns hier nicht aufhalten. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl", sagte das Wort. In diesem Moment erschien ein Lichtkegel in der Dunkelheit, und noch einer, und noch ein dritter. Zuerst blendete es dem Wort in den Augen, dann nahm die Welt um sie herum Konturen an. Sie sah riesige Schildkröten, die, soweit das Licht reichte, in der Tiefe schwebten. Sie trieben auf der Stelle, und bewegten sich kaum. Auch die Köpfe und Gliedmaßen, die hier und da aus dem dunklen Panzer herausragten, blieben unbewegt. Das Licht kam von Anglerfischen, die sich auf den Panzern der Schildkröten niedergelassen hatten. Einer der Fische befand sich nur ein kleines Stück vom Wort entfernt, denn auch Stundenglas und sie waren auf dem Rücken einer Schildkröte gelandet. Der Panzer unter ihnen bebte. Aus dem Inneren grollte eine Stimme:
"Ehnels Funzeln aus unvordenklichen Jahren. Heutigentags leuchten sie noch immer allerwegen. Die uralte Weil hätte das nicht gedacht."
"Was sagt sie?", fragte das Wort, das nur einen Bruchteil der Wörtchen verstand, die aus dem Panzer aufstiegen.


Das kleine Wort wird eines Tages plötzlich aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen und landet an einem ihm unbekannten Ort. Jedoch hat das Wort nun nicht nur sein Zuhause und seine Familie verloren, sondern auch seinen Namen und seinen Sinn. Mitten in dieser seltsamen, neuen Welt begibt es sich auf die Suche nach seiner Identität. Dabei lernt es viele neue Worte kennen, lernt, dass manche Worte erst dann vollständig sind, wenn sie ihren Partner gefunden haben. So begegnet das Wort zum Beispiel der Dichterin und dem Denker und lernt von Verrückt und Esel, dass zunächst jedes Wort seinen Artikel finden und sich damit verbinden muss. Doch zur gleichen Zeit wird das kleine Wort von zwei bedrohlichen Gestalten verfolgt. Was es mit ihnen wohl auf sich hat? Gejagt und suchend wandert das kleine Wort umher. Auf seinem langen Weg zu sich selbst erlebt es sowohl grauenvolle Dinge als auch wunderschöne. So erfährt es zum Beispiel, wie es sich anfühlt, von einem Menschen ausgesprochen zu werden oder gesungen zu werden. Es erlebt, welche Wirkungen Geschichten auf den Zuhörer haben können, wie man eine Geschichte erzählt und vieles mehr. Am Ende seiner Reise steht das Wort einem Mann gegenüber, der mehr ist, als er auf den ersten Blick zu sein scheint. Kann er dem Wort helfen, seinen Namen zurückzuerlangen?


Meine Meinung zum Buch:
Zunächst möchte ich gestehen, dass die erste Hälfte des Buches eher ein Durchquälen war, als ein entspanntes Lesen. Ich war verwirrt, was es mit der Hauptfigur, dem "Wort" auf sich hat. Ich konnte mir auch Anfangs überhaupt kein Bild von einzelnen Figuren machen. Sollte ich sie mir als Menschen vorstellen? Dann wiederum gab es das Wort "Esel", welches tatsächlich wie ein Esel aussah. Aber dann existiert eine Schildkröte, die aber nicht das Wort Schildkröte darstellt, sondern "Weil" heißt. Ich hoffe, meine Gedankengänge sind verständlich. Die zweite Hälfte gefiel mir dann langsam immer besser. Es fiel mir mittlerweile leichter, mir ein Bild von der Welt und den Figuren zu machen. Auch habe ich langsam begriffen, worum es in der Geschichte tatsächlich geht. Auf eine verblüffende Art bringt einen diese Geschichte dazu, über Worte nachzudenken, wie man es vorher noch nicht getan hat. Während des Lesens wird einem langsam klar, welche Bedeutung Worte wirklich haben. Dass man sie nicht ohne Sinn und Verstand verwenden soll. Langsam entdeckte ich auch, dass der Roman die Suche nach seinem Selbst behandelte, Selbstvertrauen zu entwickeln, Mut zu haben und über sich selbst hinauszuwachsen. Es steckt doch viel mehr in dieser besonderen Geschichte, als man beim ersten Lesen vermuten möchte. Ich musste, als ich das Buch beendet hatte, erst einmal ein paar Tage darüber nachdenken bis mir das alles bewusst wurde.
Nebenbei ist dieser Roman enorm fantasievoll! Zum Schluss musste ich sogar schmunzeln, als die Geschichte eine absolut unerwartete Wendung nahm. Ich war positiv überrascht über das Ende. Humorvoll und immer noch tiefgründig. In "Der Wortschatz" erwähnt der Autor nicht nur die Bedeutung der Worte. Er zeigt dem Leser zudem wunderbare Wortspiele auf, denkt um die Ecke und gibt Worten eine neue Bedeutung. Fazit: nach diesem Buch hat man eine ganz andere Sicht auf die Sprache. Es ist ganz sicher kein Buch für jeden, es erscheint mir doch etwas extravagant. Aber ich bereue es nicht, es gelesen zu haben und werde es sicher einmal wieder lesen.

Samstag, 27. Januar 2018

"Pheromon - Sie riechen dich" von Rainer Wekwerth, Thariot

Ein leichter Wind kam auf und strich über ihn hinweg. In dem Luftzug schwangen die Düfte der Rosenbüsche, der Bäume und des Rasens mit, aber da war noch etwas anderes. Es war der gleiche Geruch, den auch Serena ausströmte, nur intensiver. Fremdartig. Und schwer. Wie die Blüte einer exotischen Blume und dennoch anders als alles andere. Verwirrt blickte Jake sich um. Was roch da so intensiv? Serena flüsterte melodiöse Worte in sein Ohr, die er nicht verstand. Ihm wurde schwindelig. Ihr Duft vermischte sich mit einem fremdartigen Geruch und verwirrte seine Sinne. Was passiert mit mir? In Jakes Kopf ging alles durcheinander. Seine Gedanken waren wie Farben, die sich immer neu vermischten, ohne konkret zu werden. Als er zu Serena schaute, bemerkte er, dass sie ihn anlächelte. Ihre Lippen kräuselten sich amüsiert, als sie seinen Blick bemerkte. "Was ist mit dir?", hauchte sie sanft. "Ich...ich weiß nicht", stammelte Jake. Ihm war plötzlich heiß. So heiß. "Vielleicht liegt es am Drink." Aber er wusste, dass dem nicht so war, er hatte kaum an seinem Glas genippt. Ihr Gesicht kam näher. Warmer, süßer Atem strich über ihn hinweg. Blutrote Lippen, leicht geöffnet, die weißen Zähne blitzten. Es war wie ein Sog. Er wollte sich vorbeugen, diese Lippen mit den seinen berühren, aber etwas hielt ihn zurück. Er konnte sich nicht bewegen. Seine Gedanken wurden zäh, aber Jake spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Tief in ihm drin flüsterte eine Stimme. Er verstand die Worte nicht, aber die Warnung, die darin mitschwang.

Das Jahr 2018:
Jahre lang ist Jake ein ganz normaler High School Schüler. Er hat mittelmäßige Noten, spielt Football und leidet an Heuschnupfen und sieht ohne Kontaktlinsen nichts. Doch von einem Tag auf den nächsten ändert sich plötzlich alles. Plötzlich scheint er ein Genie zu sein, löst die kniffligsten Matheaufgaben, kann sämtliche Geschichtsdaten auswendig und seine körperlichen Leiden scheinen verschwunden zu sein. Noch nie zuvor hatte er das Gefühl, so gut riechen, denken und sehen zu können. Das alles würde Jake natürlich sehr freuen, wäre da nicht dieser unheimliche goldene Schimmer in seinen Augen, der plötzlich aufgetreten ist. Ganz davon abgesehen, dass er auf einmal Emotionen riechen kann. Irgendetwas stimmt nicht. Auch sein Umfeld scheint sich plötzlich stark zu verändern. Als ihn Serena, das heißeste Mädchen der Schule, zu ihrer Party einlädt, sagt Jake natürlich zu. Doch als er an dem Abend direkt von Serena angemacht wird, spürt er auf einmal, dass etwas nicht normal ist. Sie strahlt etwas Unheimliches aus, was er nicht beschreiben kann. Eine enorme Anziehungskraft, doch etwas in Jake wehrt sich dagegen. Als Serena kurz darauf ihre eigene Party verlässt, folgt Jake ihr bis zu einem Jugendcenter. Darin geht etwas Seltsames vor sich. Jugendliche wie in Trance, auf eine gewisse Art unmenschlich vom Verhalten her. Während Jake anfängt, Nachforschungen anzustellen, trifft er auf Amy und zwei weitere mehr oder weniger Betroffene, die Serena und dem merkwürdigen Verhalten ihrer Mitmenschen auf den Grund gehen wollen. Doch da steckt viel mehr dahinter, als sie denken. Ehe es sich Jake und seine Freunde versehen, befinden sie sich mitten in einem alle entscheidenden Kampf um das Überleben der Menschheit.


Meine Meinung zu dem Buch:
Wer sich nur den Buchrücken oder den Klappentext ansieht, kann noch nicht einmal ansatzweise erahnen, was für ein gutes Buch er da in der Hand hält.
Der Beginn des Buchen enthält zunächst wesentliche Fakten, die man über den Protagonisten Jake wissen muss. Schnell kann man sich ein Bild von ihm machen und er schien mir auch gleich sympathisch zu sein. Während des Lesens erhält man einen nicht allzu umfangreichen, aber absolut ausreichenden Einblick in sein Leben. Und plötzlich, wie aus dem nichts fängt die Geschichte an, richtig interessant zu werden. Ohne irgendwelche Anzeichen oder Vorwarnungen hat Jake auf einmal diese Fähigkeiten, die doch irgendwie etwas beneidenswert sind. Wer hat sich denn nicht schon mal gewünscht, ein Wunder würde geschehen und man wäre plötzlich richtig schlau? Auf die Idee, Gefühle riechen zu können, kam ich jedoch noch nie. Automatisch kam mir die Frage auf: würde ich das gerne können? Auf jeden Fall wird es ab dem Zeitpunkt richtig interessant. Jakes Leben beginnt, eine vollkommen neue Wendung zu nehmen, was ihn auch merklich mitnimmt.
Parallel zu Jakes Leben im Jahr 2018 liest man in einem Zeitsprung von 100 Jahren, wie die Welt 2118 aussieht. Keine Sorge, die Zeitsprünge sind klar getrennt und gekennzeichnet in den Überschriften der einzelnen Kapitel. Es ist immer ein Wechsel: 2018, 2118, 2018, 2118 usw. Zum Jahr 2118: Dr. Travis Jelen ist ein älterer Mann in einer schwierigen Lebenssituation. Er hat eine schlimme Vergangenheit hinter sich und arbeitet als Arzt in einer kleinen Praxis für Obdachlose oder sehr arme Menschen mitten in New York. Doch wo Armut ist, ist das Verbrechen nicht weit und Dr. Jelen gerät gleich zu Beginn seiner Geschichte in große Schwierigkeiten. Zwischen den beiden Geschichten sind die Sprünge immer recht eindeutig und bringen einen beim Lesen nicht raus. Alles liest sich sehr flüssig. Der Spannungsbogen baut sich zur Hälfte des Buches langsam auf. Keine Sorge, bis dahin ist es zwar nicht sonderlich spannend aber sehr interessant und man stellt sich ständig die Frage, worauf das alles hinauslaufen wird. Bald stellt man fest, dass die Geschichten (natürlich) miteinander verbunden sind. Doch selbst nachdem man als Leser herausfindet, dass sowohl Jake als auch Dr. Jelen der gleichen Sache auf der Spur sind, kommen immer mehr Fragen auf, was alles noch viel spannender und aufregender macht! Ab der Hälfte des Buches wird es immer actionreicher, spannender und aufregender! Als die beiden Geschichtsstränge irgendwann sozusagen aufeinandertreffen und endlich Fakten offenbart werden, ist das ein unglaublicher Augenblick für mich gewesen. Ein enormer Aha-Moment, von da an konnte ich das Buch nicht mehr weglegen. Lange Rede, kurzer Sinn: ein wahnsinnig gutes Buch! Als es zu Ende war, war ich doch etwas traurig darüber.

Dienstag, 23. Januar 2018

"Morgen ist es Liebe" von Monika Maifeld

Alexandra betrachtete sich im Badezimmerspiegel ihres Krankenzimmers. Ihr Gesicht schimmerte inzwischen in allen Regenbogenfarben, aber der Kopfverband war entfernt und durch ein etwas kleineres Pflaster ersetzt worden. Die große kahle Stelle auf der Kopfhaut leuchtete orangefarben vom Jod, und sie versuchte, wenigstens die Flecken im Gesicht ein wenig wegzutupfen. Die blauschwarzen Hämatome allerdings wurden sie noch eine Zeitlang begleiten. Und bis die Haare wieder nachgewachsen wären... Sie zuckte die Achseln, es gab Schlimmeres. Jetzt würde sie erst einmal knapp drei Wochen daheim bei ihrer Mutter verbringen. Darauf freute sie sich. Und auf das eigene Bett. Und auf ein Zimmer, in dem man durchschlafen konnte und nicht bereits um Viertel vor sechs zum Fieber- und Blutdruckmessen geweckt wurde... Sie hatte sich heute Morgen zuerst recht fit gefühlt. Doch dann hatte sie geduscht- eine Schwester hatte ihr geholfen, den verbundenen Fuß in eine Plastiktüte einzupacken- , mit der Handdusche, damit der Kopf nicht nass wurde. Und so wunderbar das auch gewesen war, diese erste Dusche nach drei Tagen, so sehr hatte sie das Ganze auch ermüdet. Jetzt fühlte sie sich wieder matt und zerschlagen. Eigentlich hätte sie zum Duschen ihr eigenes Badezimmer vorgezogen, aber sie hatte das ganze Drumherum - Fuß einpacken, Kopf sicherheitshalber mit einer Duschhaube abdecken und so weiter - Martha nicht zumuten wollen. Und sie hatte auch Bedenken wegen ihres Kreislaufs gehabt. Lieber falle ich im Krankenhaus um als bei Mama, hatte sie gedacht.



Kurz vor Weihnachten verunglückt die junge Ärztin Alexandra mit dem Auto in den Weinbergen. Sie wäre dabei gestorben, hätte sie nicht ein fremder Mann bewusstlos aus dem Auto gezogen, bevor dieses in Flammen aufging. Doch als die Polizei und Sanitäter endlich bei Alexandra angelangt sind, ist ihr Retter spurlos verschwunden. Lediglich seinen Mantel hat er dort gelassen, mit dem er die verletzte Ärztin zugedeckt hat.
Martin Hallberg ist an eben diesem Abend in den Weinbergen, um sich das Leben zu nehmen. Diese Nacht vor Weihnachten soll die letzte seines Lebens sein. Doch alles kommt anders, als Martin geplant hatte. Als Martin Augenzeuge eines Autounfalles wird und diese zarte, verletzte junge Frau aus dem Autowrack zieht, schwört er, am Leben zu bleiben, wenn nur diese Frau weiterlebt. Noch bevor die Polizei am Unfallort ankommen kann, ist Martin jedoch verschwunden. Nur sein Mantel bleibt zurück mit einem Abschiedsbrief an Martins Familie. Da Martin nun aber am Leben bleibt, gilt es, diesen Brief zurückzubekommen, bevor ihn jemand liest. Doch wie soll er das anstellen, ohne sich erklären zu müssen? Wie bleibt er unerkannt und muss sich nicht als der Retter in den Weinbergen offenbaren? Die Zeit drängt.

Meine Meinung zum Buch:
Wen nicht gleich das Cover anspricht, der wird spätestens nach den ersten 20 Seiten total angefixt sein. Die Geschichte beginnt in zwei Erzählsträngen, die quasi parallel zueinander verlaufen. Der Abend von Alexandra auf einer Betriebsfeier und der Abend von Martin, der bereits in den Weinbergen sitzt und sein Leben nun beenden will. Gleich von Anfang an habe ich gespannt darauf gewartet, wie sich die Geschichten der beiden miteinander verknüpfen würden. Das ist der Autorin auch sehr gut gelungen. Der Roman befasst sich jedoch nicht nur mit den Leben der beiden eben genannten Personen. Auch erhält man wunderbare Einblicke in die Leben anderer relevanter Figuren, wie Alexandras Mutter, einem Journalisten, einem Polizisten und vielen mehr. Es ist jedoch nie verwirrend oder langweilig. Auch schien mir keine Person unnötig und kein Part als "Seitenfüller". Alles ergab immer einen Sinn und hat die Handlungen vorangetrieben und noch spannender gemacht. Zudem saß ich während des Lesens oft da und war sehr frustriert oder genervt (im positiven Sinne) und ärgerte mich über einzelne Personen und ihre Probleme, die man doch einfach hätte lösen können. Natürlich wäre das Buch dann wesentlich kürzer und uninteressanter geworden. Außerdem sagte das doch viel über den Charakter eines einzelnen aus, wenn er sich etwas nicht traute, etwas verschwieg, log oder andere derartige Dinge tat oder nicht tat. Generell konnte ich schnell Sympathien für einige Personen entwickeln und andere wiederum wunderbar hassen. Was mir persönlich auch gut gefallen hat war, dass es nie richtig kitschig wurde. Also für meine Verhältnisse zumindest. Ein wunderbarer, spannender und emotionaler Roman, den ich verschlungen habe und euch empfehle, ihn unbedingt mal zu lesen!


Freitag, 12. Januar 2018

"Wonder Woman - Kriegerin der Amazonen" von Leigh Bardugo

In jener Nacht lachte Hippolyta nicht. Sie ging auf der Terrasse auf und ab und ihre safranfarbene Seidenrobe wehte wie eine Kriegsfahne hinter ihr her. "Sie ist ein Kind, Tek. An ihr ist nichts Gefährliches."
"Sie ist eine Gefahr für unsere Art zu leben", entgegnete Tek. Sie saß in ihrem Reitzeug auf einer Bank an der langen Tafel, die Ellbogen auf dem Tisch, die Beine von sich gestreckt. "Du kennst das Gesetz. Keine Uneingeweihten von draußen."
"Sie ist keine Uneingeweihte. Sie ist ein kleines Mädchen. Sie wurde aus der Erde dieser Insel erschaffen, von meinen Händen geformt. Sie ist noch nicht einmal je draußen gewesen."
"Es gibt Regeln, Hippolyta. Wir sind unsterblich. Uns ist es nicht bestimmt, schwanger zu werden, und die Insel ist denjenigen von uns vorbehalten, die die Gefahren der Welt der Menschen kennen, die wissen, was es bedeutet, gegen die endlose Flut sterblicher Gewalt zu kämpfen, und die sich entschieden haben, sich davon abzuwenden. Du hattest kein Recht, diese Entscheidung für Diana zu treffen."
"Sie wird in einer Welt ohne Krieg aufwachsen. Sie wird sich in einem Land bewegen, auf dem nie Blut vergossen wurde."
"Wie soll sie es da zu schätzen wissen? Die Götter haben so etwas nicht vorgesehen. Sie haben ihre Gesetze nicht ohne Grund erlassen und du hast sie untergraben."


Diana, die Tochter der Amazonenkönigin, steht kurz vor einem wichtigen Wettkampf gegen ihre Amazonenschwestern. Es geht darum, sich zu beweisen, Kraft und Schnelligkeit zu demonstrieren. Doch während des Laufes entdeckt Diana am Horizont ein Schiff, das scheinbar explodiert ist. Trotz aller Gesetze und Vernunft stürzt sie sich ins Meer, schwimmt zu dieser Stelle und rettet die 17-jährige Alia. Heimlich bringt Diana Alia auf die Insel, auf der sie und die Amazonen leben. Eine Insel, auf die kein Sterblicher jemals einen Fuß setzen darf. Durch Alias Aufenthalt beginnt die Insel zu verfallen. Immer häufiger treten Erdbeben auf und die Amazonen erkranken schwer. Aus Verzweiflung sucht Diana das Orakel auf und erfährt, dass Alia in Wirklichkeit eine Kriegbringerin ist und sterben muss. Sonst stürzt sie die Welt in Chaos und Verderben, Kriege werden ausbrechen und viele sterben. Laut Orakel gibt es zwei Möglichkeiten, dieses schlimme Schicksal zu vermeiden: entweder stirbt Alia so schnell es geht oder sie muss zu einer bestimmten Quelle in Griechenland gebracht werden, um sich zu reinigen. Diana hält es für ihr Schicksal, Alias Leben zu retten und die Ära der Kriegbringerin für immer zu beenden. Entgegen aller Regeln und Gesetze verlässt die Amazonenprinzessin mit der Sterblichen die Insel und begibt sich in die Menschenwelt, in der an jeder Ecke größere Gefahren lauern, als die beiden Mädchen erahnen können.




Meine Meinung zu dem Buch:
Die Geschichte der Amazonenprinzessin Diana beginnt ziemlich abrupt und mitten in ihrem Leben. Als Leser erhält man schon auf den allerersten Seiten einen kleinen Einblick darin, wie die Amazonen leben, was ihre Traditionen sind und um wen es sich bei Diana eigentlich handelt. Gleich zu Beginn treten einige Amazonen in einem Wettkampf gegen einander an. Wie oben erwähnt, endteckt Diana dabei ein Wrack und rettet daraus ein Mädchen. Bisher ist alles schön beschrieben, man kann der Handlung gut folgen, aber mir steigt es doch zu schnell und zu "action-reich" ein. Gerne hätte ich zu Beginn erst mal etwas Seichtes gelesen über die Insel im Gesamten, über das Leben der Amazonen im Allgemeinen, über die Beziehung von Diana zu ihrer Mutter. Man wird gleich zu Beginn ins kalte Wasser geworfen. Es ist natürlich Geschmackssache und manche mögen es, gleich zu Beginn Spannung und Action zu haben. Mich hat es jedoch etwas überrumpelt. Trotz allem fiel es mir nicht schwer, mich in die Geschichte hineinzuversetzen. Es wurde alles wunderbar beschrieben, so dass es mir absolut nicht schwer fiel, mir alles bildlich vorzustellen! Die einzelnen Charaktere waren auch sehr deutlich beschrieben und ich konnte schnell Sympathie oder Abneigung gegen Einzelne entwickeln. Was mir noch sehr an dem Buch gefallen hat, waren die kleinen gesellschaftskritischen Aspekte hier und da. Es wird erwähnt, wie abgestumpft die Menschen mittlerweile geworden sind, Gewalt, Technik oder wenn Diana in der Menschenwelt bemerkt, wie sehr diese doch von Männern dominiert wird und wo die Stellung der Frau häufig noch steht. Die Machtgier der Menschen, die ständigen Kriege...all dem begegnet Diana in unserer Welt. Für sie absolut unverständlich, fremd und merkwürdig. Ich finde es wunderbar, wie die Menschheit in dieser Geschichte aus quasi objektiver Perspektive belichtet wird und einem nochmal klar gemacht wird, wie wir eigentlich sind. Philosophische Fragen treten während des Lesens auch im Hinblick auf das Leben auf. Im Hinblick auf Alia steht Diana vor der großen Frage: was ist das eine Menschenleben im Vergleich zur ganzen Menschheit wert? Sind die Menschen es überhaupt wert, gerettet zu werden? Ich könnte noch weiter ausschweifen, aber möchte niemanden langweilen. Deshalb zum Schluss: es ist eine äußerst spannende, aufregende, anregende und verdammt gute Geschichte mit absolut unerwartetem Ende! Ich werde diese Geschichte auf jeden Fall eines Tages wieder lesen!