Freitag, 11. November 2016

"Sieben Monde" von Marcus Sedgwick

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und schaute hinaus zur Oktobersonne, die bereits tief über dem westlichen Horizont stand und bald untergehen würde. Sie lief zum Friedhof, setzte sich auf das Grab und wartete auf den Einbruch der Nacht. Während sie wartete, sang sie ein Lied.
"Der Wind, er weht zu Nacht, mein Schatz, ein wenig Regen fällt herab. Ich hatt nur einen wahren Schatz, der liegt in diesem kühlen Grab. Ich tu für meinen wahren Schatz so viel wie eine junge Frau zu tun vermag. An seinem Grabe sitze ich und trauere zwölf Monate und einen Tag. Nach einem Jahr und einem Tag fing der Tote zu sprechen an: Wer sitzt da weinend an meinem Grab, sodass ich nicht schlafen kann? Ich, mein Schatz, sitz hier Stund um Stund und kann nicht schweigen still. Ein Kuss von deinem kalten Mund ist alles, was ich will."
Bei Einbruch der Nacht stand Merle auf und ließ vorsichtig alle Kleider von ihrem Körper gleiten, der dünner war denn je, aber immer noch jung und flink. Sie hob den Krug an den Mund und trank ihn ohne Zögern leer. Der Krug fiel ihr aus den Händen. Sie sank auf das Grab und hielt sich den Hals und den Bauch. 


Zwei Menschen, 7 Leben. Eric und Merle begegnen sich über Jahrhunderte immer wieder in einem anderen Leben, in einem anderen Körper, als eine andere Person. Sie finden stets wie durch Zufall zueinander. Als Bruder und Schwester, als Mutter und Sohn, als Mann und Tochter oder als Paar. Sie spüren in jedem Leben stets diese besondere Verbindung zueinander. Bei jeder neuen Begegnung in einem neuen Leben wissen sie, dass sie sich schon einmal begegnet sind und dass sie zusammengehören. Doch nur in diesem Leben, oder auch in einem anderen? Beide spüren, dass etwas besonderes zwischen ihnen besteht. Etwas magisches, etwas tiefgründiges. Etwas, dass sich über sieben Leben, über sieben Epochen hinweg erstreckt. Doch was ist es, das diese beiden Menschen über den Tod hinaus miteinander verbindet? Was bringt sie in jedem neuen Leben, in jedem neuen Zeitalter immer wieder zusammen? "Ich werde sieben Leben leben. In jedem werde ich nach dir suchen und dich lieben. Wirst du mir folgen?"


Meine Meinung zu dem Buch:
Zunächst wurde ich aus dem Buch nicht schlau. Als ich die erste Geschichte las, dachte ich zunächst, dieses Buch würde sich als eine "normale" Liebesgeschichte entpuppen. Doch den Gedanken nahm ich schnell zurück. Ich merkte bald, dass es um etwas anderes ging. Der Autor schafft es tatsächlich, schon innerhalb der ersten 30 Seiten eine gewisse Spannung aufzubauen. Geheimnisse und seltsame Ereignisse lassen einen aufmerksam weiterlesen. Die Neugier war geweckt. Jede einzelne Epoche war klar voneinander getrennt und sehr gut beschrieben. Man konnte sich sehr leicht in jedes Zeitalter hineinversetzen und von Kapitel zu Kapitel langsam einen Zusammenhang erkennen, was die Verbindung von Merle und Eric betrifft. Doch sicher konnte man nie sein. Was ich nicht gedacht hätte, war die enorme Spannung und das ich mich teilweise sogar ein wenig gegruselt habe. Das hat mir sehr gut gefallen. Dieses Buch ist eine Roman über Liebe auf eine äußerst interessante und faszinierende Weise. Darunter fällt auch der Aspekt, dass Merle und Eric ihre Liebe nicht nur im Sinne eines Paares leben. Die Liebe besteht auch in Form von Mutter und Sohn, Geschwisterliebe und so weiter.
Der Autor hat durch dieses große Geheimnis wunderbar die verschiedenen Epochen miteinander verknüpft. Jede Geschichte hat etwas grausames, wunderschönes, poetisches und blutiges an sich. Die perfekte Mischung, meiner Meinung nach. Was mir zusätzlich noch sehr gut gefallen hat (worauf ich bei guten Büchern immer Wert lege) ist, dass nichts vorhersehbar war.
Insgesamt ist es keine anspruchsvolle Lektüre, die Schrift ist recht groß und die Geschichte breitet sich auf ca 240 Seiten aus. Aber auf diesen wenigen Seiten steckt wirklich guter Lesestoff. Ich persönlich empfehle dieses Buch allen, die mal eine vollkommen neue Art der Liebesgeschichte lesen möchten.



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