Freitag, 18. November 2016

"Rosenpsychosen" von Anna-Maria Prinz

Am Morgen betrat Pasi als Erste die Küche. Marie lag auf dem Fußboden und starrte an die Decke. Neben ihr standen eine leere und eine halb volle Flasche Pinot Grigio, ein Riedel-Burgunderglas und eine leere Kaffeetasse. Pasi machte auf dem Absatz kehrt und lief zu Martin ins Schlafzimmer, der gerade zum zweiten Mal dem Weckerpiepen ein Ende setzte. "Mama liegt auf dem Fußboden in der Küche und guckt an die Decke. Sie hört Mozart."
"Oje. Requiem?"
"Glaub, ja."
"Okay, ich komme."
Martin schlurfte in die Küche, machte die Musik aus, räumte den Fußboden auf und setzte sich neben Marie. "Kann ich etwas für dich tun, die vielleicht ins Bett helfen?" Sie antwortete nicht. "Hör mal, Schatz, die Kinder wollen jetzt hier frühstücken. Ich fahre gleich mit ihnen los, aber vorher müssen sie etwas essen. Die Gewürze sind prima sortiert. Du kannst jetzt schlafen. Komm."



Wenn sich zwei Frauen mittleren Alters begegnen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten, geht man nicht davon aus, dass sie miteinander auskommen. So ist es auch, als Marie und Helene aufeinandertreffen.
Marie musst seit einiger Zeit ohne ihr Vermögen leben, denn ihr Mann Martin (mit dem sie lediglich eine Zweckehe führt) ist bankrott. Von nun an keine Cocktails für 20€ mehr, kein Chanel N°5 und keine teure Kleidung mehr. Auf Grund ihrer Depressionen und Todessehnsüchte kann Marie am Abend nicht ohne mindestens eine Flasche Wein einschlafen und Bücher liest sie stets von hinten nach vorne.
Helene hingegen ist Therapeutin, rasiert sich nie, trinkt nur Tee und ist rein optisch vollkommen anders als Marie. Sie schminkt sich nicht, trägt keine figurbetonten Kleider und keine Schuhe mit Absatz. Helen führt ein eher langweiliges Leben mit ihren beiden Söhnen. Eines Tages entschließt sich Maries Mann, dass seine Frau endlich in Therapie gehen soll. So begegnen sich die beiden Frauen schließlich. Helene bemüht sich zunächst vergebens darum, an Marie heranzukommen, doch diese ist stets nur patzig und lenkt vom Thema ab. Doch langsam, von Sitzung zu Sitzung öffnet sich Marie. Aber auch Helene beginnt, sich gegenüber Marie zu öffnen und die beiden merken, dass sie doch einiges gemeinsam haben. Zum Beispiel einen Ex-Mann, der unter dem Ödipuskomplex leidet und stets ein Kuscheltier im Bett hatte. Zwischen chaotischen Alltagserlebnissen der beiden und unerwarteten Ereignissen entwickeln sich die beiden in die jeweils andere Richtung. Eine Freundschaft der anderen Art entsteht.



Meine Meinung zu dem Buch:
 Als ich das Buch zum ersten Mal las, fand ich es recht seltsam und gewöhnungsbedürftig. Ich möchte behaupten, dass es zu 40% aus innerem Monolog, zu 40% aus Dialog und zu 20% aus Geschehnissbericht besteht. Doch wenn man erst einmal in die Geschichte hineingekommen ist, findet man Interesse daran. Maries stets etwas pubertierendes, oft kindliches Verhalten gegenüber allen ist äußerst interessant. Es ist etwas, dass ich noch nie gelesen habe. Ihre Art scheint besonders zu sein. Manchmal besonders nervig. Ich finde auch den ständig Wechsel zwischen der ruhigen und vernünftigen Helene und der aufbrausenden Marie sehr unterhaltsam. Es ist einem möglich, im Wechsel in die Köpfe der beiden hineinschauen zu können. Ihre Gedanken sind entweder verwirrend, fast dämlich, oder ziemlich intelligent. Das Buch ist wirklich gewöhnungsbedürftig und nicht für jeden geeignet. Es bedarf eine gewisse Anstrengung während des lesens und manchmal muss man Sätze zweimal lesen, um sie zu verstehen. "Rosenpsychosen" ist auf seine anstrengende Art poetisch, tiefgründig, oberflächlich und psychologisch. Alles in allem ein außergewöhnliches Buch. Ob ich es weiterempfehlen würde, kann ich nicht sagen. Ein paar bestimmten Leuten vielleicht, aber nicht im Allgemeinen.Die Autorin hat ihren eigenen Humor, der an einigen Stellen doch äußerst komisch ist und einen schmunzeln lässt. Im Ganzen könnte man sagen, es ist ein Lesespaß voller Gefühle. Marie reißt einen mit ihrer Überschwänglichkeit einfach mit, Helene hält einen gleichzeitig auf dem Boden. Dies ist absolut keine 0-8-15-Lektüre. Kein gewöhnlicher Frauenroman, sondern voller Witz, bissiger Bemerkungen und kein kitschiges Happy End.

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