Dienstag, 24. Oktober 2017

"Wolkenschloss" von Kerstin Gier

Ein leises Klopfen an der Fensterscheibe riss mich aus meinen Gedanken. Zwei schwarze Knopfaugen schauten mich von draußen an, und ich beeilte mich, das Fenster zu öffnen. Das war ein weiterer Grund, meine Kammer zu lieben: Die Fensterbank wurde mit Vorliebe von den Bergdohlen angeflogen, vermutlich weil, wer immer hier vor mir mal gewohnt hatte, sie verbotenerweise gefüttert hatte. Eine Angewohnheit, die ich sofort mit Begeisterung aufgenommen hatte, Verbot hin, Verbot her. Es handelte sich ja nicht um Tauben auf dem Markusplatz, die Venedig angeblich noch zum Einsturz bringen würden, weil ihre Kacke selbst Marmor wegätzte- , es waren nur sieben Vögel, und sie richteten keinerlei Schaden an. Um ehrlich zu sein, hatte ich sie überhaupt noch nie kacken sehen, es waren außerordentlich manierliche Vögel, die wahrscheinlich extra in den Wald flogen, um ihr Geschäft zu erledigen. Ich hatte sie alle Hugo getauft, weil sie anfangs für mich mit ihren gelben Schnäbeln, dem glänzenden, tiefschwarzen Gefieder und den klugen, schwarzen Augen absolut gleich ausgesehen hatten. Mittlerweile hatte ich aber gelernt, sie zu unterscheiden, und so gab es nun den melancholischen Hugo, den wirklich unglaublich verfressenen Hugo (verfressen waren sie alle, doch der wirklich unglaublich verfressene Hugo war einfach... wirklich unglaublich verfressen), den einbeinigen Hugo, den kleptomanischen Hugo (er hatte mir schon zwei Haarklämmerchen, den Deckel einer Sprudelflasche und beinah das Ladekabel für mein Handy geklaut, aber er war trotzdem mein heimlicher Liebling), den pummeligen Hugo, den hopsenden Hugo und den misstrauischen Hugo. "Hallo hoppsender Hugo, kommst du die fabelhafte Fanny besuchen?"


Die siebzehnjährige Fanny macht anstelle des Abiturs ein Praktikum in einem alten Grand Hotel in den Schweizer Bergen. Sie ist dort das Mädchen für alles und gibt sich stets Mühe, gerät aber immer wieder in Schwierigkeiten, die sie trotzdem bewältigt bekommt. Hierbei erhält sie zum Glück oftmals Hilfe einiger Freunde aus dem Personal. Der Concierge, Monsieur Rocher, versorgt Fanny stets mit allen Informationen, die er über die Gäste hat und Pavel, der in der Wäscherei arbeitet, hat immer ein offenes Ohr für Fanny. An unangenehmen Zeitgenossen fehlt es im Wolkenschloss natürlich auch nicht. Der rücksichtslose Hotelbesitzer Roman Montfort, der stets am Personal zu meckern hat, das Fräulein Müller, die anscheinend in der Zeit von Heidi und Fräulein Rottenmaier steckengeblieben ist und die drei zickigen Aushilfen Hortensia, Camilla und Ava tyrannisieren Fanny wann immer sie können. Ganz anders als Roman Montfort ist sein Sohn Ben, der über die Weihnachtsferien im Hotel seines Vaters arbeitet. Ein sehr liebenswürdiger und hilfsbereiter Mensch. Auch lernt Fanny den attraktiven Tristan, einen Hotelgast, kennen, der sich als Hoteldieb vorstellt und nachts an der Fassade des Hotels herumklettert. Als es auf die Weihnachtsfeiertage und Silvester zugeht, überschlagen sich die Ereignisse. Fanny findet heraus, dass eine russische Oligarchenfamilie inkognito im Hotel gastiert, welche angeblich den legendären Nadjeschda-Diamanten besitzen sollen. Dann verschwindet Schmuck eines Gastes, Kinder werden plötzlich vermisst, ein mysteriöser Mann checkt ein, der unter seinem Mantel eine Pistole versteckt hat und Fanny begiebt sich ahnungslos in Lebensgefahr. Eines steht fest: dieser Job wird niemals langweilig.


Meine Meinung zu dem Buch:
Was ich bisher nie angesprochen habe in meinen Rezensionen: Das Cover. Hier muss ich einfach sagen, wie wunderschön ich das Cover finde! Es gibt einiges darauf zu entdecken, ist in wunderschönem Pastell-lila gehalten und man erhält gleich einen ungefähren Eindruck, wie man sich das Hotel vorzustellen hat. Nun zur Geschichte: der Roman wird aus der Ich-Perspektive von Fanny Funke erzählt. Mit viel Humor erlebt man als Leser den Alltag im Hotel aus ihrer Sichtweise und ihren Gedanken. Es gibt viele Augenblicke, in denen man einfach schmunzeln muss, wenn Fanny zum Beispiel über einen Hotelgast denkt, wie eingeblidet dieser doch sei oder ähnliches. Man leidet wunderbar mit ihr mit, wenn sie von einem Gastkind ständig in Schwierigkeiten gebracht wird, wenn sie jemand tadelt oder die drei Zicken es ihr mal wieder schwer machen, indem sie Fanny zum Beispiel aus dem gemeinsamen Waschraum jagen. Aber es ist nicht alles schrecklich. Es gibt immer wieder Momente, in denen man sich für sie freut oder mitfiebert, wenn sie an einer Problemlösung dran ist. Durch den Schreibstil werden auch die einzelnen Personen, die Gäste und das Personal, wunderbar beschrieben. Es fällt also sehr leicht, sich diese Menschen deutlich vorstellen zu können. Sowohl was das äußere Erscheinen als auch den Charakter betrifft. Natürlich hat sich in diesem Jungend-Roman auch eine Liebesgeschichte eingeschlichen. Doch das wird sehr subtil eingeführt und ist recht spannend und abwechslungsreich eingebracht worden. Denn es scheint, als würden sowohl der Sohn des Hotelbesitzers, Ben, als auch der Gast Tristan sich sehr für Fanny interessieren. Sie selbst ist sich nicht sicher, was oder wen sie will. Mit den beiden Jungen erlebt sie sowohl schöne Momente als auch Konflikte. Es ist meiner Meinung nach der richtige Grad an Liebe in der Geschichte. Insgesamt ist "Wolkenschloss" ein Jugendroman mit einer Mischung aus Liebe, Krimi und Humor! Zu dem Krimi-Aspekt: innerhalb der Geschichte fallen immer an den richtigen Stelle n gewisse Spannungsmomente, die die Handlungen wieder ankurbeln und es noch interessanter machen. Man ist  ständig am mitfiebern, versucht selbst, dahinter zu kommen. Der absolute Höhepunkt der Geschichte kommt erst am Ende, was aber absolut nicht schlecht ist. Es wird auf keinen Fall jemals langweilig und am Ende erwartet einen das große Finale der Geschichte. Der größte Kriminafall im Hotel, der Fanny sogar in Lebensgefahr bringt. Absolut spannend mit unerwarteter Wendung und Enthüllung! Ich bin kein Krimi-Fan. Aber in dem Buch "Wolkenschloss" fand ich diesen Teil absolut super und das gesamte Buch lesenswert! Ich würde es auf jeden Fall weiterempfehlen.

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