Gepflegte und erwartungsfrohe Spannung lag in der Luft wie in einem Opernhaus kurz vor der Vorstellung. Und bei aller Größe kam ihr dieser Raum weder beängstigend noch einschüchternd vor. Dylia fand ihn einfach nur schön und geschmackvoll, auch wenn die Innenarchitektur und Dekoration offensichtlich von einer Spinne stammten. Die tausendfachen Fäden des Netzes spannten sich vom weitgestreckten graugrünen Boden hinauf und schienen sich in einem Punkt der Decke, die sich irgendwo im Dunkel verlor, zu sammeln.
Das ganze Netzwerk wirkte dadurch wie ein monumentales Zirkuszelt aus lauter bunten und glitzernden Punkten. Oder wie ein märchenhafter Zauberberg aus farbigen Mineralien. Zigtausende, vielleicht sogar Millionen Splitter funkelten in einem Licht, das von überall und nirgens herzukommen schien. Wie von hunderten unsichtbaren Kerzen."
Meine Meinung:
Gleich zu Beginn merkt man, hier liegt wieder ein typischer Moers vor. Er spielt mit der deutschen Sprache, verändert sie, erfindet neue Worte. Und das nicht zu wenig. Unernmüdlich tauchen neue Fantasieworte auf sowie bereits bekannte Worte die verdreht wurden. Die ersten Seiten lockten mit der Vorstellung der Prinzessin, ihrer Krankheit und ihren Methoden, damit umzugehen. Für mich wurde es leider schnell trocken und schleppend, mich durch so vielen neue oder umgestellte Worte durchzubeißen, die die Handlung nicht gerade vorantrieben. Teilweise waren es ermüdende Aufzählungen/ Nennungen der Worte, die ich irgendwann begann zu überfliegen. Mir schien das etwas zu viel des Guten zu sein. Trotzdem wartete ich gespannt darauf, wann der Nachtmahr endlich seinen Auftritt hatte und wie sich die Geschichte dadurch entwickeln würde. Ich muss zugeben, dass ich die Seiten bis zum Auftritt des Nachtmahrs irgendwann nicht mehr aufmerksam las. Silbenverdrehungen hier, Anagramme da, so sieht der Verstand der Prinzessin aus. Das lernte ich auf gut 50 Seiten, die meiner Ansicht nach nett und fantasievoll formuliert waren, aber sie hätten gerne kürzer sein können. Zugegeben, man konnte nun behaupten, den Verstand der Prinzessin sehr gut zu kennen. Doch unterhaltsam war das für mich leider nicht.
Dann aber endlich der Auftritt des Nachtmahrs. Das Lesen bis hier hin hatte sich nun ausgezahlt, denn jetzt begann es, spannend zu werden. Gebannt verfolgte ich die frechen, schlagfertigen Dialoge zwischen Nachtmahr und Prinzessin, war gespannt auf die Reise. Wann liest man schonmal etwas über eine Reise in ein Gehirn? Und so wie ich die Prinzessin bisher hatte kennenlernen dürfen war von vornherein klar, dass das keine gewöhnliche Reise würde. So viel Spannung, so viele fantastische, faszinierende Wesen und Gegenden, ich habe es verschlungen. Moers hat wieder seine ganze Fantasie aufgebracht und die seltsamsten Kreaturen erfunden. Keine Langeweile kam mehr bei mir auf während ihrer Reise. Statt auf eine Achterbahnfahrt mit viel Action sollte man sich beim Lesen jedoch auf einen nachdenklichen Spaziergang einstellen. So viele Farben, Wesen, Gedanken, Orte... Wie eine Traumreise, gemischt aus guten und schlechten Träumen. Die Gedankenwelt allein fesselt den Leser aber nicht, sondern die Konversationen und die Entwicklung der Beziehung der Prinzessin und des Nachtmahrs lassen Spannung entstehen. Zudem hat man immer im Hinterkopf, dass Dylia irgendwann dem Wahnsinn verfallen soll. Wie soll das geschehen? Und wann? Und wird sie es schaffen, dass es nicht soweit kommt? Wird sie den Nachtmahr wieder los ohne dafür ihr Leben lassen zu müssen? Was wird passieren? Das Ende war für mich nicht einmal zu erahnen. Es war unvorhersehbar aber doch etwas knapp und für mich nicht sehr zufriedenstellend. Allerdings wüsste ich auch nicht, wie man es hätte besser machen können.
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