Im Auto
rauchen sie und hören Musik. Mattis trommelt den Takt auf dem
Armaturenbrett mit. Anne summt und sieht aus dem Fenster. Sie schwingen
sich aufeinander ein. Draußen leichter Schneeregen. Mattis kurbelt das
Fenster runter, schnipst die Asche hinaus und kurbelt es gleich wieder
hoch. "Wusstest du, dass diese Region die kälteste in ganz Deutschland
ist? Mit den wenigsten Sonnenstunden?", fragte er. "Und? Entschuldigt
das irgendwas?" Mattis zögert. Er zieht übertrieben stark an seiner
Zigarette und bläst den Rauch durch die Nasenlöcher wieder aus. "Nein",
sagt er schließlich und biegt in die Einfahrt zum Supermarkt.
In ihrem Buch "Muldental" erzählt die Autorin 10 unterschiedliche, kurze
Geschichten über das schwere Leben, die Abgründe und Schmerzen darin
sowie von der Wende, (friedlicher) Revolution und Wiedervereinugungen.
Daniela Krien schafft es, in diesen Geschichten unschöne
Alltagsgeschehnisse mit Inhalten wie Scham, Sucht, Verzweiflung und
Schuld zu vereinigen.
Zwischen den einzelnen Geschichten bestehen
keine (deutlich erkennbaren) Zusammenhänge. Jeder lebt sein Leben. Nur
eine Gemeinsamkeit ist deutlich zu erkennen. Die Protagonisten jeder
einzelnen Geschichte sind Menschen aus der ehemaligen DDR und damit
"Wendeverlierer" im wiedervereinigten Deutschland der 90er Jahre. Jeder
von ihnen hat auf ihrer Suche nach Glück viel Enttäuschung und Leid
erfahren.
In diesem Buch begegnet man diversen Menschen. Den beiden
alleinerziehenden Müttern Betti und Maren, die irgendwie zusätzlich Geld
verdienen müssen und sich darum Freier suchen. Man begegnet Otto, der
Alkoholprobleme und Geldprobleme hat. Man begiebt sich mit Ludwig auf
die Reise zu seiner schizophrenen Schwester, die er dank der Öffnung
gegen Westen nach 28 Jahren endlich wieder sehen kann, welche er
vollkommen vernachlässigt in einer bayrischen Psychiatrie wiederfindet.
Wie diesen vier Personen begegnet man in diesem Buch noch vielen
weiteren Leuten, die oftmals ein mehr oder weniger grausames, qualvolles
Leben erlitten haben oder erleiden.
Meine Meinung zu dem Buch:
In diesem Werk werden dem Leser deutlich die unterschiedlichsten,
grausamen Gefühle und Situationen aufgezeigt, die viel erleiden mussten.
Positive Gefühle wie Liebe oder Freude treten hier nur als sehr kleine
Nebenrolle auf. Wenn überhaupt. Die Dinge werden hier auf direktem Weg
und auf markante Art zur Sprache gebracht. Dieses Buch ist etwas
außergewöhnliches. Daniela Krien zeigt die unbefriedigten Wünsche,
zerstörte Träume und die unterschiedlichsten Lebenskriesen auf. Meiner
Meinung nach ein Buch, dass man nicht in einem Stück lesen sollte. Aber
ein wunderbares Stück Literatur. Außergewöhnlich. Daniela Krien scheint
eine Meisterin der Worte zu sein. Mit nur wenigen Worten lässt sie einen
in das Innere eines Menschen blicken und dessen Leid mitfühlen. Jede
einzelne Geschichte ist präzise geschrieben, die Wörter scheinen
wohlbedacht und bringen es stets genau auf den Punkt.
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