Mittwoch, 19. Oktober 2016

"Muldental" von Daniela Krien

Im Auto rauchen sie und hören Musik. Mattis trommelt den Takt auf dem Armaturenbrett mit. Anne summt und sieht aus dem Fenster. Sie schwingen sich aufeinander ein. Draußen leichter Schneeregen. Mattis kurbelt das Fenster runter, schnipst die Asche hinaus und kurbelt es gleich wieder hoch. "Wusstest du, dass diese Region die kälteste in ganz Deutschland ist? Mit den wenigsten Sonnenstunden?", fragte er. "Und? Entschuldigt das irgendwas?" Mattis zögert. Er zieht übertrieben stark an seiner Zigarette und bläst den Rauch durch die Nasenlöcher wieder aus. "Nein", sagt er schließlich und biegt in die Einfahrt zum Supermarkt.



In ihrem Buch "Muldental" erzählt die Autorin 10 unterschiedliche, kurze Geschichten über das schwere Leben, die Abgründe und Schmerzen darin sowie von der Wende, (friedlicher) Revolution und Wiedervereinugungen. Daniela Krien schafft es, in diesen Geschichten unschöne Alltagsgeschehnisse mit Inhalten wie Scham, Sucht, Verzweiflung und Schuld zu vereinigen.
Zwischen den einzelnen Geschichten bestehen keine (deutlich erkennbaren) Zusammenhänge. Jeder lebt sein Leben. Nur eine Gemeinsamkeit ist deutlich zu erkennen. Die Protagonisten jeder einzelnen Geschichte sind Menschen aus der ehemaligen DDR und damit "Wendeverlierer" im wiedervereinigten Deutschland der 90er Jahre. Jeder von ihnen hat auf ihrer Suche nach Glück viel Enttäuschung und Leid erfahren.
In diesem Buch begegnet man diversen Menschen. Den beiden alleinerziehenden Müttern Betti und Maren, die irgendwie zusätzlich Geld verdienen müssen und sich darum Freier suchen. Man begegnet Otto, der Alkoholprobleme und Geldprobleme hat. Man begiebt sich mit Ludwig auf die Reise zu seiner schizophrenen Schwester, die er dank der Öffnung gegen Westen nach 28 Jahren endlich wieder sehen kann, welche er vollkommen vernachlässigt in einer bayrischen Psychiatrie wiederfindet. Wie diesen vier Personen begegnet man in diesem Buch noch vielen weiteren Leuten, die oftmals ein mehr oder weniger grausames, qualvolles Leben erlitten haben oder erleiden.



Meine Meinung zu dem Buch:
In diesem Werk werden dem Leser deutlich die unterschiedlichsten, grausamen Gefühle und Situationen aufgezeigt, die viel erleiden mussten. Positive Gefühle wie Liebe oder Freude treten hier nur als sehr kleine Nebenrolle auf. Wenn überhaupt. Die Dinge werden hier auf direktem Weg und auf markante Art zur Sprache gebracht. Dieses Buch ist etwas außergewöhnliches. Daniela Krien zeigt die unbefriedigten Wünsche, zerstörte Träume und die unterschiedlichsten Lebenskriesen auf.  Meiner Meinung nach ein Buch, dass man nicht in einem Stück lesen sollte. Aber ein wunderbares Stück Literatur. Außergewöhnlich. Daniela Krien scheint eine Meisterin der Worte zu sein. Mit nur wenigen Worten lässt sie einen in das Innere eines Menschen blicken und dessen Leid mitfühlen. Jede einzelne Geschichte ist präzise geschrieben, die Wörter scheinen wohlbedacht und bringen es stets genau auf den Punkt.

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